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David Lynch, Julee Cruise (heute nicht mehr dabei) und Angelo Badalamenti zu Zeiten von "Twin Peaks" Anfang der 1990er-Jahre.

Foto: Getty Images

Wien – Dass David Lynch ein vielseitig begabter Künstler und Wanderprediger in Sachen menschliche Abgründe und dunkle Seite der Macht ist, ist nicht nur seit Regiearbeiten wie Eraserhead, Blue Velvet oder eben auch Twin Peaks, der Mutter aller schattseitigen Fernsehserien Anfang der 1990er-Jahre, bekannt.

Abseits von Film, Fotografie und verstörender bildender Kunst zwischen Ölbild und Collage war und ist David Lynch auch immer Musiker gewesen. Solo veröffentlichte er etwa 2011 mit Crazy Clown Time oder 2013 mit The Big Dream Soloalben zwischen irrem Spoken-Word-Salbadern (die Philosophenszene aus The Life of Brian!), harschen Industrial-Klängen und verquerem apokalyptischem Blues, der am Anfang auch seinem musikalischen Vorbild Captain Beefheart gut ins Konzept gepasst hätte.

Sacred Bones Records

Schon im Rahmen der Arbeiten zum Twin Peaks-Kinoableger Fire Walk With Me entstanden vor gut einem Vierteljahrhundert gemeinsam mit seinem langjährigen Kompositionspartner Angelo Badalamenti die wesentlichen Grundgerüste für das erst jetzt erstmals veröffentlichte Duoalbum Thought Gang (Sacred Bones Records). Die Hebung des lange in Lynchs Giftschrank verstaubenden Werks kann als kleine Sensation gewertet werden. Nicht umsonst ist das Album mit dem Zusatz "Modern Music" versehen.

Zeitgenössischer Krawall

Mollig verhallten Kitsch wie die Titelmusik von Twin Peaks oder Gänsehautballaden wie Falling mit Sängerin Julee Cruise darf man sich allerdings nicht erwarten. Hier wird angesichts eines allzeit anstehenden Weltenendes vielmehr sehr zeitgenössischer Krawall von Männern in ihren besten Jahren gemacht, so lange, bis die ganze Bude kracht.

Mit einer Entstaubung der alten Bänder haben sich Lynch und Badalamenti nicht begnügt. David Lynch hatte damals seinen Kompagnon gemeinsam mit von Charles Mingus oder Miles Davis bekannten Jazzmusikern ins Studio geholt und ihnen filmische Themen vorgegeben: Jack Paints It Red, One Dog Barks, Summer Night Noise ... Über diese wurde frei improvisiert.

Sacred Bones Records

Teilweise wurden Ausschnitte aus diesen Sessions schon für Mulholland Drive oder auch für eine von Lynch gedrehte Adidas-Werbung verwendet. Allerdings haben sich 2018 die zusätzlichen Einspielungen von Lynch an der ruppigen Bluesgitarre und erstaunlicherweise Badalamenti als wild gewordener Mann auf der Predigtkanzel plus diverse heute leicht auf dem Laptop herstellbare Lärmschlieren als wahrer Segen dieses durch und durch erstaunlichen Albums erwiesen.

Zwischen Amok laufendem Lounge-Jazz, beherztem Noise, Implosion und Explosion, verwunschenem Blues und flächigem, 16-minütigem Ambient ist auf Thought Gang vieles möglich. (Christian Schachinger, 8.11.2018)