In der Serie alles gut? denkt STANDARD-Redakteur Andreas Sator über eine bessere Welt nach – und darüber, welchen Beitrag er leisten kann. Melden Sie sich hier für seinen kostenlosen Newsletter an.

In einer Stunde machen die Läden zu, ich habe eigentlich keine Zeit und auch keine Lust, eine Hose brauche ich jetzt aber trotzdem. In den vergangenen Tagen habe ich über faire Mode gelesen, eine Bekannte hat mir Turek empfohlen, einen Laden an der Mariahilfer Straße in Wien. Auf dem Weg schaue ich schnell rein, probiere eine, eine zweite, der Schnitt gefällt mir, sie sitzt. 140 Euro!

Ich blicke mich um, die anderen sind noch teurer. Viel zu viel, denke ich mir – sonst kaufe ich Billigware bei H&M oder Zara. Ich mache es trotzdem. Bananen kaufen wir auch mit dem Fairtrade-Siegel, warum also nicht auch Kleidung?

Ich bin konsequent, denke ich mir und fühle mich gut, bin aber auch unsicher, wie klug das gerade war. In den nächsten Wochen probiere ich mehr und mehr Läden aus, mich treibt die Frage um: Kann ich mich einfach und leistbar fair einkleiden?

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Sauber Kleidung einkaufen, geht das?
Foto: Getty / Stanislav Fadyukhin

Sie lesen alles gut?, eine Serie, in der ich über eine bessere Welt nachdenke. Ich will lernen, welchen Beitrag ich leisten kann. Melden Sie sich für meinen kostenlosen Newsletter an – ich halte Sie auf dem Laufenden.

Sich "fair" kleiden, was soll das überhaupt sein? Im Rahmen dieser Serie habe ich mich zuletzt mit der Textilindustrie auseinandergesetzt (zu Teil eins und zwei). Sie produziert großteils in Asien, die Bedingungen vor Ort sind für Menschen und Umwelt oft schrecklich, es sind aber immerhin Jobs, in armen Ländern nicht unwesentlich.

Die Ergebnisse meiner Recherche habe ich in einem Video zusammengefasst:

Wie Kleidung kaufen? Das Video hat Isabella Scholda produziert.
DER STANDARD

Weil die Bedingungen aber so schlecht sind und Unfälle und NGOs viele darauf aufmerksam gemacht haben, ist mittlerweile eine gar nicht so kleine Gegenbewegung entstanden. In Linz fand im Oktober die Messe Wear Fair statt, die laut Eigenangabe 14.000 Menschen besuchten. 100 faire Modefirmen stellten aus.

Ich spreche mit Stefan Robbrecht-Roller, sein Job ist es, die Firmen für die Messe abzuklopfen. Wie weiß er, wer fair produziert? Ich habe zuvor schon viel gelesen, aber von der Vielzahl an Zertifikaten und Labels wurde mir schwindelig.

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Handelsketten ködern mit Rabatten.
Foto: reuters / munoz

"Viele Modefirmen sagen, sie setzen sich ein. Man kann aber danach aussieben, wer sich extern prüfen lässt und wer nicht", sagt er. Auf siegelklarheit.de, einem Projekt der deutschen Bundesregierung, könne man das prüfen. Ein wichtiges Zertifikat, nach dem man Ausschau halten könne, sei GOTS (Global Organic Textile Standard). "Da sind die Standards sehr hoch, man hat faire Arbeitsbedingungen vom Anbau bis zur Verarbeitung. Viele Kleidungsfirmen, die es mit Nachhaltigkeit ernst nehmen, nehmen diese Zertifizierung."

"Die wichtigste Frage für uns ist, werden Gewerkschaften eingebunden?", sagt er. "Dürfen sie unangekündigt kommen und prüfen?"

Vier Zertifikate seien zur Orientierung gut: Da wäre neben GOTS einmal IVN Best, beide befassen sich mit ökologischen und sozialen Standards und vielen Schritten der Herstellung von Kleidung. Kleinere sind das EU Ecolabel, das sich nur auf ökologische Aspekte konzentriert, und Fair Trade Cotton, das sich nur auf die Herkunft der Baumwolle beschränkt. "Am Ende des Tages ist es kein lückenloses System", sagt Robbrecht-Roller, "aber es ist das beste, das wir haben."

Jacinta FitzGerald, eine Beraterin für faire Mode, empfiehlt mir noch C2C, Cradle To Cradle, das verlässlich und verbreitet ist. Sie hat mir außerdem eine Einordnung zu populären Zertifikaten geschickt, Sie finden Sie unterhalb des Textes – ich lasse sie hier weg, weil ich nicht will, dass Sie am Ende so verwirrt sind wie ich. (Auch diese Einordnung hilft.)

Ich habe also ein paar Zertifikate im Kopf, die Expertinnen gut finden. Damit kann ich arbeiten. Die Hose, die ich gekauft habe, ist von Nudie Jeans, sie trägt das GOTS-Siegel. Immerhin. Ich gehe zu Zerum, einem kleinen, schicken Laden in der Kirchengasse mitten in Wiens Bobo-Bezirk Neubau. Das Label sagt von sich, dass es nur faire Mode verkauft.

Die Lieblingsbeschäftigung vieler Menschen: Shopping.
Foto: apa / collens

Ich gehe die Stiege hinauf, sehe eine sehr schöne Kapuzenweste, mein erster Blick gehört dem Preisschild – 150 Euro! –, dann dem Etikett, "gewebt in Götzis, Vorarlberg, bedruckt in Ungarn". Ich gehe weiter, die T-Shirts kosten bis zu 40 Euro, ein Pullover 80 Euro, "Peta approved" steht darauf, wo und wie er hergestellt wurde, nicht.

Ich frage nach, "all unsere Kleidung wird in Europa produziert", sagt mir eine Verkäuferin. "Zerum will keine menschenunwürdige Produktion."

Ich schlucke. Schon wieder. Seit ich mich mit dem Thema befasse, fällt mir das immer wieder auf. Zuerst las ich in einem Magazin von einem Label, das wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in ärmeren Ländern nur mehr in Europa produzieren lässt. Fashion-Bloggerinnen empfehlen lokal produzierte Ware, die deutsche Marke Trigema produziert nur in Deutschland und ist stolz darauf.

Kann das der Sinn der Sache sein, frage ich mich und verlasse den Laden. Für ärmere Länder ist der Textilsektor der perfekte Einstieg in die Industrialisierung. Viele Arbeiten sind relativ einfach, entscheidend sind niedrige Löhne – oft der einzige Vorteil dieser Länder im internationalen Wettbewerb. Am Beispiel Bangladeschs ist der positive Effekt, den ausländische Nachfrage hat, gut dokumentiert.

Das Online-Angebot für faire Mode ist groß. Eine Bestellung.
Foto: Andreas Sator

Wenn ich keine Kleidung mehr kaufe, die in Bangladesch hergestellt wurde, geht es den Arbeiterinnen dann besser? Wohl kaum. Sie haben dann gar keinen Job mehr oder nehmen einen anderen an, der vielleicht noch schlechter ist.

Ich suche faire Mode, die in ärmeren Ländern produziert wird. Dass das gar nicht so einfach ist, habe ich in den vergangenen Wochen gelernt. Zwar finde ich in anderen Läden – Green Ground, online im Avocadostore – erschwinglichere Kleidung und kaufe sie auch. Ein T-Shirt für 20 Euro, eines für 30, einen verbilligten Hoodie für 35.

Bei Green Ground kaufe ich eine Hose für 109 Euro, das finde ich okay, zwei T-Shirts für 30 Euro, auch damit kann ich leben, eine Boxershort für 20 Euro, was mir viel zu teuer ist, ich brauche eigentlich mehrere, es ist die einzige in meiner Größe. Bei H&M hätte ich dafür vier bekommen – und sie wären auch lagernd gewesen.

Nicht immer ist ersichtlich, wo sie produziert wurden. Nicht immer finde ich die Zertifikate, nach denen ich Ausschau halte. Manchmal google ich kurz, bin dann oft auch nicht viel schlauer, bewusst einkaufen ist mühsam, ich nehme die Kleidung dann trotzdem, weil ich mich nicht noch dreimal auf den Weg machen möchte, und frage mich, ob das jetzt irgendetwas gebracht hat oder ich gerade viel Geld nur für ein gutes Gewissen hingelegt habe.

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Portugal zieht die Textilindustrie an. Eine Näherin in Vizela im Norden des Landes.
Foto: AP / Paulo Duarte

Ich rufe Stefan Robbrecht-Roller noch einmal an, erzähle ihm, wie es mir ergangen ist. Ist es schwierig, faire Mode aus ärmeren Ländern zu finden? "Ich habe den Eindruck, dass viele versuchen, näher bei ihren Absatzmärkten zu produzieren", sagt er. Es lasse sich besser kontrollieren. Dazu komme das Umweltargument, "bei Made in Europe sind die Transportwege kürzer".

"Aber ja, natürlich brauchen auch ärmere Länder Jobs und eine Wirtschaft, es ist eine schwierige Diskussion. Die Logik der fairen Modefirmen ist: Das Öko-Argument zieht immer besser als das soziale."

Ich seufze und beginne laut nachzudenken. "Immer gut einzukaufen – für mich heißt das faire Kleidung aus ärmeren Ländern – erscheint mir unmöglich. Was kann ich also tun? Mir Mühe geben, darauf achten, in bestimmte Geschäfte gehen, nach dem GOTS-Zertifikat suchen, dort nicht immer finden, was ich brauche, wenn ich in Mainstream-Läden einkaufe, kundtun, dass mir nicht egal ist, wie sie produzieren?"

"Ich muss selbst eingestehen", sagt dann Robbrecht-Roller, "bei T-Shirts und Pullovern gelingt es mir, fair einzukaufen. Wenn man etwas Spezielleres will, wird es kompliziert, schon bei kurzen Hosen mit Seitentaschen, die ich gerne mag, war es für mich schwierig."

Auf der Wear Fair habe man vor einigen Jahren eine Umfrage gemacht, die meisten gaben an, nicht mehr als 20 bis 25 Prozent faire Kleidung zu schaffen. Wichtig sei es, sich Gedanken zu machen, so bewusst wie möglich zu handeln – und sich von den schnell wechselnden Trends der großen Ketten nicht beeinflussen zu lassen.

Damit kann ich leben. Ethischer Konsum ist schwierig, ganz ehrlich, er nervt auch ein bisschen – und ja, nicht jeder kann ihn sich leisten! Darüber nachzudenken, wo und wie Dinge produziert werden, ist aber lehrreich. Ich werde versuchen, künftig so gut wie möglich einzukaufen. Ist dann alles gut? Nein, aber vielleicht ja ein bisschen besser. Wie handhaben Sie das? Haben Sie Tipps für Läden, in denen man faire Mode findet? Posten Sie im Forum.

Nächste Woche pausiert die Kleider-Serie. Weil Weihnachten ansteht, gehe ich der Frage nach, wie man "gut" und sinnvoll spendet. Ich schenke mir heuer zu Weihnachten eine 100-Euro-Spende. Wenn Sie sich für den Newsletter oben anmelden, melde ich mich, wenn der Artikel erscheint. (Andreas Sator, 9.12.2018)