Das undatierte Foto der Polizei zeigt zwei Sicherheitsleute, die in Burbach einen am Boden liegenden Flüchtling misshandeln.

Foto: APA/Polizei NRW/Polizei NRW

Köln – Die Bilder lösten deutschlandweit Entsetzen aus: Auf den vor gut vier Jahren aufgetauchten Handyaufnahmen war die entwürdigende Behandlung von Flüchtlingen in einem Notaufnahmeheim in Burbach im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen zu sehen. Wachleute sollen die Flüchtlinge dort auf eine mit Erbrochenem verschmutzte Matratze gezwungen und mit dem Fuß im Nacken ihrer Opfer posiert haben. Ab Donnerstag wird der Fall vom Landgericht Siegen juristisch aufgerollt.

32 Angeklagte im Alter von 24 bis 63 Jahren müssen sich in dem Mammutprozess vor der Siegener Strafkammer verantworten – Mitarbeiter der Unterkunftsleitung, der Sozialbetreuung und des Wachdiensts. Auch zwei Mitarbeiter der Bezirksregierung Arnsberg sind angeklagt. Sie sollen von den Taten gewusst haben, ohne etwas zu unternehmen. Insgesamt geht es in dem Prozess um 54 Fälle unterschiedlichster Straftaten, darunter Freiheitsberaubung und Diebstahl.

Oberstaatsanwalt Christian Kuhli warf den insgesamt 29 Angeklagten – unter anderem Mitarbeiter der Unterkunftsleitung, der Sozialbetreuung und des Wachdiensts – eine Vielzahl von Straftaten vor, die sie in wechselnder Beteiligung begangen haben sollen. Dazu zählen Freiheitsberaubung, Nötigung, Diebstahl und Körperverletzung.

In "Problemzimmern" eingesperrt

So sollen Bewohner der in einer ehemaligen Kaserne eingerichteten Unterkunft bei Verstößen gegen die Hausordnung – beispielsweise Rauchen oder Alkoholkonsum auf den Zimmern – teils für mehrere Tage in sogenannten "Problemzimmern" eingesperrt worden sein. Beim Transport in diese Räume soll es Körperverletzungen gegeben haben, außerdem Nötigungen und Diebstähle.

Die meisten Straftaten sollen die mit der Heimleitung und der Teamleitung der Sozialbetreuer betrauten Angeklagten verübt haben. Den beiden Mitarbeitern der Bezirksregierung wird zudem Freiheitsberaubung durch Unterlassen vorgeworfen. Motiv für die Misshandlungen war laut Staatsanwaltschaft, die Zahl der Meldungen von Zwischenfällen in der Unterkunft an Polizei- und Ordnungsbehörden niedrig zu halten und den Ruf der Einrichtung nicht zu gefährden.

Insgesamt klagte die Staatsanwaltschaft im Fall Burbach 38 Verdächtige an – zwei Verfahren gegen zusammen sechs geständige Beschuldigte wurden allerdings abgetrennt und werden voraussichtlich erst ab Anfang kommenden Jahres verhandelt.

Nicht genug Platz im Gerichtsgebäude

Für den nun beginnenden Prozess gegen die 32 Beschuldigten muss das Siegener Landgericht aus Platzgründen ausweichen: Weil das Gerichtsgebäude nicht über einen ausreichend großen Verhandlungssaal verfügt, findet das Verfahren in der Siegerlandhalle statt.

Die außergewöhnliche Dimension des Prozesses veranschaulicht zudem der Umfang der Akten, in die sich die Verfahrensbeteiligten einarbeiten mussten: Der Aktenbestand umfasst nach Angaben eines Gerichtssprechers mehr als 34.000 Seiten. Für das Verfahren beraumte die erste große Strafkammer des Gerichts Verhandlungstermine bis Mai kommenden Jahres an.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte sich das Land Nordrhein-Westfalen von der privaten Betreiberfirma der Burbacher Flüchtlingsunterkunft getrennt. Außerdem führte das Bundesland Sicherheitsüberprüfungen der in Flüchtlingsheimen eingesetzten Wachleute ein. (APA, 7.11.2018)