Einer der 14 Angeklagten verdeckte zum Prozessauftakt sein Gesicht. Sie alle wollen nicht akzeptieren, dass sie sich vor einer Grazer Strafrichterin verantworten müssen.

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Sie sitzen noch immer da auf der Anklagebank. Seit Mitte Oktober, Schulter an Schulter: die Präsidentin, wie immer im altrosa Pulli, ihr Stellvertreter, der pensionierte Polizist, und die restlichen der 14 Angeklagten aus einer anderen Welt.

Im Grunde wollen sie noch immer nicht akzeptieren, warum sie sich hier vor der Grazer Strafrichterin und den Geschworenen verantworten sollen. Vor einem Gremium, das für sie, "Menschen aus Fleisch und Blut", gar nicht zuständig sei. Und von wegen Hochverrat und Bildung einer staatsfeindlichen Organisation: Sie hätten doch nur einen völkerrechtlich eigenständigen Staat im Staat gegründet, beharrt die "Präsidentin", eine Energetikerin mit ursteirischem Idiom.

Am Mittwoch hat nun der ehemalige "Landespräsident" aus Niederösterreich die rechtliche Sicht der Angeklagten präzisiert: "Zuerst steht da das Naturrecht, dann das Völkerrecht und die Menschenrechte, und dann kommt das von den Menschen geschaffene Handelsrecht." – "Stehen die Naturgesetze über den Gesetzen des österreichischen Rechtes?", fragt die Richterin. "Ja, genau", sagt der Unternehmer, der sich unter Tränen beklagt, dass er zahlreiche Aufträge verloren habe, "nur weil ich Staatsverweigerer war". Auch die eigene Familie habe sich gegen ihn erhoben, er solle endlich mit dem Blödsinn aufhören.

Bei Konflikten aller Art habe die Präsidentin jedenfalls bisweilen auch an ihren Hals gegriffen, ihre Kette abgenommen und die Sache ausgependelt.

Abseits der juristischen Problematik interessiert die Geschworenen vor allem die Frage, wie um alles in der Welt Polizisten, Kindergärtnerinnen und gestandene Unternehmer in ihrer Persönlichkeitsentwicklung so neben die Spur geraten können. Eine "Staatenbund"-Mitgründerin hat in der U-Haft über ihr Leben, das wie bei vielen ihrer Freunde schiefgelaufen ist, nachgedacht: Es sei "das Menschliche, die Herzenswärme, wie bei einer Religion" gewesen, das sie mit den anderen "Staatenbündlern" vereint habe.

"Für mich hat alles im Albtraum geendet"

"Aber wenn's nur um die Menschlichkeit geht, warum braucht es dafür einen eigenen Staat", hakt die Richterin nach, "mit eigenen Haftbefehlen?" – "Ja", sagt die Frau, die mit ihrem Mann zur Gründerszene zählte, "es war mein Fehler, hier nicht aufzustehen und zu sagen: Das geht nicht. Im Nachhinein: Für mich hat alles im Albtraum geendet."

Worauf er sich da eingelassen hat, scheint dem Unternehmer mit dem kurzgeschorenen Grauhaar ebenfalls langsam zu dämmern. Auch er hat als "Landespräsident" das ominöse Papier unterschrieben, mit dem das Bundesheer angehalten wurde, Politiker festzunehmen und eine militärische Übergangsregierung zu bilden. Er habe der "Präsidentin" blind vertraut, alles geglaubt, auch dass man, wenn man sich beim "Staatenbund" als "lebend" meldet, sozusagen immun gegen die österreichische Staatsgewalt sei. Und man etwa mit eigenem Kfz-Kennzeichen durch die Gegend fahren könne. Er habe ihr geglaubt, "Richter der Alliierten" würden nach Österreich kommen und die heimische Justiz zurechtweisen.

"Ihre Euphorie war so stark, dass auch ich ihr nicht standgehalten habe." Dann würgt er unter Tränen heraus: "Sie hat uns ein Stück des Weges auf die Reise mitgenommen. Bis ins Gefängnis." Der Prozess wird fortgesetzt. (Walter Müller, 7.11.2018)