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Für Ungarns Premier Viktor Orbán gehören Verschwörungstheorien zum politischen Handwerkszeug.

Foto: Reuters / Bernadett Szabo

Die Regierung des ungarischen Rechtspopulisten Viktor Orbán bearbeitet die Bevölkerung des Landes seit Jahren mit kruden Verschwörungstheorien. Die intensivste Verbreitung erfuhr die völlig unbewiesene Behauptung, dass der US-Milliardär und Demokratieförderer George Soros die Flüchtlingswanderungen von 2015 ausgelöst hätte. Ziel des ihm unterstellten "Soros-Plans" sei es, Europa mit muslimischen Migranten zu "fluten", um die wackeren Völker des Alten Kontinents ihrer "christlichen und nationalen Identität" zu berauben.

Die jahrelange Gehirnwäsche verfehlte ihre Wirkung nicht. Diese Woche stellte der Budapester Thinktank Political Capital die Ergebnisse einer Umfrage vor, die der Empfänglichkeit der Bevölkerung für Verschwörungstheorien auf den Zahn fühlte. "Die Ergebnisse haben uns selbst überrascht", sagte Péter Krekó, der Direktor des Instituts. Und sie sind in der Tat erschreckend: 40 bis 50 Prozent der Ungarn hängen demnach zum Teil antisemitischen Verschwörungstheorien an. So glauben tatsächlich 51 Prozent der Befragten, dass der ungarischstämmige Holocaust-Überlebende Soros "Flüchtlinge nach Europa liefern will" – eine Standard-Phrase der Orbán-Propaganda. Nur 21 Prozent widersprechen ihr, 24 Prozent zeigen sich unbestimmt.

Antisemitismus hoch im Kurs

Sogar 39 Prozent der Anhänger linker und liberaler Parteien halten die falsche Unterstellung für zutreffend. Selbst unverhohlene antisemitische Vorurteile stehen hoch im Kurs. Der Behauptung "Die Juden wollen über die Welt herrschen" stimmen 44 Prozent der Befragten zu, nur 24 Prozent widersprechen.

Relative Mehrheiten finden sich auch für antiwestliche Konspirationsthesen. 33 Prozent der Befragten sind davon überzeugt, dass die USA die EU dazu benutzen, um Länder wie Ungarn zu manipulieren. Ebenfalls 33 Prozent glauben, die ukrainische Maidan-Revolution von 2014 hätten CIA und Soros angezettelt, um dort eigene Leute zu installieren. Wenig Zulauf haben hingegen Verschwörungstheorien, die im Westen relativ prominent sind, aber von der Orbán-Regierung nicht propagiert werden: An Chemtrails etwa glauben nur 22 Prozent.

Ungarn unterschrieb EVP-Resolution

Beim Kongress der Europäischen Volkspartei (EVP) in Helsinki unterschrieb die von Orbán angeführte Fidesz-Delegation jene Resolution, in der geschrieben steht: "EU-Staaten sollten davon Abstand nehmen, Verschwörungstheorien zu spinnen und offene Attacken gegen die Europäische Kommission oder das Europäische Parlament oder die europäische Zusammenarbeit als Ganzes zu fahren." In Budapest geht jedoch niemand davon aus, dass Orbán etwas an seiner auf Verschwörungstheorien gegründeten Propaganda ändern wird. (Gregor Mayer aus Budapest, 9.11.2018)