Die aktuellen Genanalysen belegen, dass der Spirit-Cave-Mann keiner separaten Gruppe von Paläoamerikanern angehört, sondern direkt mit noch heute lebenden Ureinwohnern Amerikas verwandt ist.

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Damit konnte auch der Rechtsstreit mit der Paiute-Shoshone-Volksgruppe der Fallon-Reservation um die Spirit Cave (im Bild) und ihren Inhalt endgültig beigelegt werden.

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Kopenhagen – Im August 1940 grub das Archäologenehepaar Sydney und Georgia Wheeler in der Spirit Cave, einer Höhle im US-Bundesstaat Nevada, die Überreste eines zum Teil mumifizierten, dunkelhaarigen Mannes aus. Der Tote trug Kleidung aus Fell und Leder und war in fein gewobene Textilmatten gewickelt. Die wahre Sensation übersahen die Wheelers allerdings: Von der hohen Qualität der Textilien geblendet, datierten die Forscher den Spirit-Cave-Mann auf höchstens 2000 Jahre. Erst als über 50 Jahre später radiometrische Analysen den Überresten ein Alter von 10.600 Jahren bescheinigten, wurde klar, dass man es nicht nur mit der ältesten bekannten Mumie, sondern auch mit einem der frühesten Bewohner Nordamerikas zu tun hatte.

In welchem Zusammenhang er mit anderen prähistorischen Funden steht, war dagegen lange Zeit ein Rätsel – und sogar Gegenstand juristischer Streitereien: Die Paiute-Shoshone-Volksgruppe beanspruchte die Grotte für sich und verlangte die Übergabe der sterblichen Überreste. Diese wurde ihnen verweigert, unter anderem auf Basis morphologischer Untersuchungen, die den Spirit-Cave-Mann den "Paläoamerikanern" zuordneten, die demnach nicht mit den späteren Ureinwohnern Nordamerikas verwandt wären.

Kontinentale Genstudie

Mit solchen Paläoamerikanern hat der Mann tatsächlich nichts zu tun, wie nun eine Genanalyse endgültig belegen konnte. Die von einem Team um Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen im Fachjournal "Science" veröffentlichte Studie ist Baustein eines umfassenden Projekts zur genetischen Einordnung urzeitlicher Knochen in ganz Nord- und Südamerika. Die aktuellen DNA-Ergebnisse von dutzenden Proben aus Alaska bis Patagonien erlaubten es den Forschern nachzuzeichnen, mit welcher erstaunlichen Geschwindigkeit die ersten Menschen am Ende der Eiszeit den Doppelkontinent eroberten.

So zeigte sich etwa, dass der Großteil der mittel- und südamerikanischen Vorfahren aus drei Einwanderungswellen aus Nordamerika hervorging, die sich wiederum auf eine Erstbesiedelung über die damalige Landbrücke Beringia vor 15.000 Jahren gründen. Der enorme genetische Datenschatz lieferte allerdings nicht nur Antworten, sondern warf auch neue Fragen auf: Funde aus Lagoa Santa in Brasilien etwa enthielten rätselhafte Erbgutspuren aus dem südasiatisch-australischen Raum, für die es in Nordamerika keine Entsprechung gab.

Keine Paläoamerikaner

"Einige dieser Relikte, insbesondere jene der Spirit Cave, waren lange Zeit als 'Paläoamerikaner' identifiziert worden. Unsere Studie belegt nun aber, dass diese Menschen genetisch wesentlich näher mit heute noch lebenden Ureinwohnern verwandt waren als mit irgend einer anderen prähistorischen oder modernen Volksgruppe", sagt Willerslev.

Für die Paiute-Shoshone geht mit diesen Befunden ein über 20 Jahre andauernder Rechtsstreit zu ihren Gunsten aus. Aufgrund der Verwandtschaft, deren Beweise im Gerichtsverfahren noch vor der Veröffentlichung im Fachjournal vorgelegt wurden, erhielt die Volksgruppe inzwischen sowohl die Spirit Cave als auch die Überreste des Spirit-Cave-Mannes zurückerstattet. Diese wurden mittlerweile in einer feierlichen Zeremonie im Beisein von Eske Willerslev und seinem Team beigesetzt. (tberg, 9.11.2018)