Wolfgang Popp, "Die Ahnungslosen". Roman. € 24,- / 280 Seiten. Edition Atelier, Wien 2018

Cover: Edition Atelier

Weißt du, wie sie ihn damals genannt haben?" Dann wird es still. Die Finger gleiten über das Chassis des französischen Automobils. "Die Göttin", lautet die Antwort. La déesse. Oder: Citroën DS. Ein Detail unter vielen, ein Exkurs unter vielen, einschließlich haariger, in dem kaleidoskopischen Roman Die Ahnungslosen des Wiener Autors Wolfgang Popp. Zahlreiche Charaktere treten in vielen längeren bis sehr kurzen Kapiteln auf in dieser Kettenrevue der Koinzidenz, genannt Leben.

Da gibt es den Musiker Raul, der nach erfolglosen Jahren in den USA zurückgekehrt ist in die Stadt, aus der er aufgebrochen war. Zufällig wird er Verkäufer in einer Papeterie. Im Lauf mehrerer Wochen musiziert er sich von einem ersten, gut aufgenommenen Auftritt bis ins Musikstudio. Walt, der Bruder der Papierladeninhaberin Kri, ist Künstler. Hat eine Affäre mit der verheirateten Dio. Deren Mann Florian handelt mit Autos. Und kommt durch den Filmausstatter Tim, der einst fast mit Raul nach Amerika aufgebrochen wäre, in Kontakt mit einem Filmregisseur, der ihn als betrogenen Ehegatten besetzt.

Vom Reisen und Entdecken

Dann gibt es Martha, Zugehfrau, Haushälterin, Köchin, die aus Osteuropa stammt und ein antiquiertes Deutsch spricht, aber einen durchdringenden Blick besitzt, sodass sie geheime Amouren detektiert. Dazu gesellt sich die Galeristin Lara, liiert mit dem Ex-Mann von Kri. Walts Zeichnungen will sie eigentlich nicht ausstellen. Aus gutem Grund. Sie hat ihre Freundin Dio mit Walt in einem Museum überrascht. Stellt dann aber doch die Arbeiten aus. Und verkauft sie derart gut, dass Walt zum Shootingstar mutiert.

Und da ist Susanne, die zu ihrer fast 100 Jahre alten Großmutter Klarissa nach Kambodscha reist, von einem Insekt gestochen wird und ins Spital kommt. Ihr Freund Tim – der Filmausstatter – kommt nachgeflogen und ist bald fasziniert vom bewegten Leben Klarissas. Ein halbes Jahrhundert zuvor verlor sie ihren Mann, einen damals in Asien populären Autor von Spannungs- und Trivialromanen, durch einen Autounfall und musste sich ein neues, eigenständiges Leben aufbauen. Hier kommt etwas ins Romanspiel, was aus den früheren Büchern des Wieners, Sinologe, zeitweilig Reiseleiter und heute Radiokulturredakteur, bekannt ist: die Lust an der Fremde, am Reisen, am Entdecken.

Die Ahnungslosen ist der Versuch eines Großstädterreigens, ein Erzählspiel mit dem Erzählen an sich. Wobei Popp manchmal sein Mut zur waghalsigen Metaphorik im Wege steht. Viele Miniromane finden sich hier, Betrachtungen über das Zeichnen oder sehr Realistisches über das Lügen in Paarbeziehungen dieser Ahnungslosen. Die Leben ahnen, und Liebe, irgendwo. (Alexander Kluy, 12.11.2018)