Bild nicht mehr verfügbar.

Wählerin an der Urne im Jahr 1945 bei der ersten Nationalratswahl in der Zweiten Republik.

Foto: United States Information Servic / ÖNB-Bildarchiv / picturedesk.com

Unlängst. Es war am Beginn einer Diskussion über Literatur und Politik. Es war eine dieser Diskussionen, ob Literatur politisch ist oder sein muss. Noch bevor diese ohnehin rhetorische Frage überhaupt gestellt gewesen war. Der Moderator sagte: "Und die Autoren auf dem Podium ..." Ich saß auf dem Podium. Ich rief: "Innen. Autorinnen." Das Publikum lachte. Der Moderator nickte und sagte: "... und die Autorin auf dem Podium." Das Publikum lachte wieder. Die Kulturmanagerin neben mir auf dem Podium machte eine wegwerfende Handbewegung zum Moderator hin. "Ich brauche DAS nicht", sagte sie. "ICH brauche das nicht."

Danach. Es war gar nicht mehr notwendig weiterzureden. Das Politische war schon anwesend. Gegenwärtig. Denn. In der Abfolge der Repliken zum Geschlecht der Personen auf dem Podium war alles Politische enthalten. Alles Politische dann sogar, das die Politik in Österreich seit der Aufklärung beherrscht. Es ist die Frage, wie Frauen leben sollen und dürfen, die seit dem 18. Jahrhundert die Politik in Cisleithanien, in der Ersten Republik, im Dritten Reich und in der Zweiten Republik beherrschte.

Heute. Was hat die Kulturmanagerin gemacht mit ihrem "ICH brauche DAS nicht"? Diese Frau hatte sich in das Archilexem hineinreklamiert. Sie wollte zurück in die männliche Bezeichnung, bei der die Frauen mitgemeint sind.

Sie wollte im männlichen Begriff gemeint sein. Nun. Sollen wir Verständnis für die Kulturmanagerin entwickeln. Sie hat in der Stadt, in der sie Kultur managt, ausschließlich mit Männern in Spitzenpositionen in der Stadtpolitik zu tun. Sie wurde von diesen Männern ausgewählt. Sie fühlt sich dieser Auswahl vielleicht verpflichtet. Aber. Sie wird diesen Männern ein Programm für das Festival dieser Stadt liefern, das diesen Männern genehm sein wird. Frauen werden nicht benannt werden. Dieses "Ärgernis". Das wird sie den Männern der Stadtpolitik ersparen helfen. Die Frauen dieser Stadt. Die Wählerinnen. Die Steuerzahlerinnen. Die Frauen, die auch in dieser Stadt die sind, die die Liebesarbeit leisten. Die die Kinder betreuen. Die die Eltern pflegen. Die Frauen, die das Gesellschaftliche bilden und daneben für ihren eigenen Unterhalt sorgen.

Unbenannt, unterrepräsentiert

Diese Frauen werden unbenannt keine Rolle in dem Festival spielen. Es wird vorfeministische Avantgarde gegeben werden. Das Wahlrecht für Frauen. An sich selbst wird nicht gedacht. Die Frauen. Unbenannt. Das heißt unrepräsentiert. Das heißt nicht vertreten. Die unbenannt und folglich unrepräsentierten Frauen haben in so herrschenden Umständen keine Stimme. Bekommen sie nicht. In einer Stadt, in der solche Kultur subventioniert wird. Die Politik geht da ins Vorfeministische zurück. Unbemerkt wird so der Familienvorstand in Kraft gesetzt. Oder dort belassen. Das ist Politik durch Auslassung. Hinter dem Etikett Kultur wird Politik für eine bestimmte Klientel gemacht. Den dafür empfänglichen Männern wird nostalgischerweise suggeriert, dass Frauen nicht benannt werden müssen.

Erstens schaue das so hässlich aus. Und zweitens. Wer bräuchte denn das, heißt es. Die Frauen seien doch ohnehin gemeint. Das Wahlrecht für Frauen. Da bleiben die Männer mitgemeint. Es wird auch in dieser Stadt keine Revolution der Frauen ausbrechen.

Denn. Diese Stadt liegt in Österreich. Und in Österreich. Die heutige Lebensweise von Frauen leitet sich aus dem 18. Jahrhundert her. Joseph II. überließ der katholischen Kirche die Ehe als Sakrament, behielt aber die vertragliche Seite der Ehe in der Staatsgewalt. Konkordate und das Bürgerliche Gesetzbuch seit 1811 an. "Der Mann ist das Haupt der Familie ..." in §91 des ABGB und die Unauflöslichkeit der Ehe für Katholiken im Konkordat 1855 noch einmal bestätigt. Diese Unauflöslichkeit. Sie galt in Cisleithanien in der Monarchie. Während es in Ungarn dann immerhin seit 1895 die obligatorische Zivilehe gab und auch Katholiken sich scheiden lassen konnten, blieb es in den deutschsprechenden Teilen der Monarchie bei der Unauflöslichkeit.

In Preußen wurde 1874 die auflösbare Zivilehe eingeführt. 1875 wurde sie für das gesamte Deutsche Reich durchgesetzt. In Cisleithanien bestand Kaiser Franz Joseph neoabsolutistisch auf der Unauflöslichkeit der Ehe, und bis 1918 konnte daran nichts geändert werden. Aber auch in der Ersten Republik war die Unauflöslichkeit der Ehe das zentrale Problem des Kulturkampfs. Erste Reformvorschläge der Sozialdemokraten wurden von den Christlichsozialen abgelehnt. Das Konkordat 1934 trat gleichzeitig mit der autoritären Verfassung Österreichs in Kraft. Die Unauflöslichkeit der Ehe war der wichtigste Gegenstand dieser Abmachung. In Österreich. In der Ersten Republik. Die Zivilehe war als Notzivilehe möglich. Aber auch diese Zivilehe war nicht auflösbar.

Am 6. Juli 1938 wurde dann mit der Kundmachung "Das Recht der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet" des nationalsozialistischen Reichsstatthalters die Ziviltrauung eingeführt. Als Ehehindernisse wurden nicht wie bisher konfessionelle Vorbehalte angeführt. Rassistische und eugenische Regelungen zur "Erhaltung der Volksgesundheit" glichen dieses Gesetz den Nürnberger Rassengesetzen an, die in Deutschland seit 1935 gegolten hatten. Im Nationalsozialismus ging es jedoch nicht mehr um die Erfüllung kirchlicher Gebote zur Erlangung des ewigen Lebens. Die Auflösung der Ehe sollte zur Zeugung von Kindern mit weiteren Frauen führen. Das Gefängnis der Unauflöslichkeit unter dem Haushaltsvorstand wird gegen die Freizügigkeit der Manneskraft getauscht. Frauenleben. Sie blieben in Rahmenbedingungen gepresst von außen regiert. Das Wahlrecht. Harmonisierte das die Widersprüche. Ging eine zur Wahl und bestätigte sich diese Situation in der äußeren Welt. Wie soll eine zu einer Erkenntnis der eigenen Situation kommen, wenn die ihr von ihrem Mann bestimmt wird. Wenn die Ehe als Versorgungsinstitut funktioniert.

Atem in seinem Atem

Denn. Über so lange Zeit Unauflöslichkeit der Ehe. Unauflöslichkeit. Das ist ein Gefängnis. Jedenfalls dann, wenn Leben und Vorschriften nicht mehr zusammenpassen. Darüber können wir in der Literatur viel lesen. So. Wie wir auch über die Klassengesellschaft durch das Motiv des "süßen Mädels" oder des Ekels vor der Prostitution bei gleichzeitiger Anziehungskraft erfahren können. Die Frauen. Und hier muss nun das katholisch romantische Ideal der Ehe eingesetzt werden. Der Grundsatz lautete: Er atmet. Sie atmet in ihm. Der bürgerlich rechtliche Haushaltsvorstand, der sich von der Ehefrau nie scheiden wird lassen können. Er atmet. Sie muss erst ihn denken, um zu Atem zu kommen. Die Frauen. In dieser Anordnung. Rechtlich, spirituell und wirtschaftlich. Der Mann drückt sich durch die Frau aus. Die Frau wird zur Beschreibung des Mannes. Die Frau ist gezwungen, das Medium dieser herrschenden Person zu sein. Atem in seinem Atem. Im besten Fall wurde sie zur Partnerin gemacht. Im schlimmsten Fall waren die Frauen machtlose Wärterinnen dieser Unauflöslichkeit.

Immer aber ging es um den Körper der Frau, der im Kindergebären die Zeugungskraft des Mannes ausdrücken muss. Es ist die testikuläre Männlichkeit, die in die Ehegesetze gebändigt wird. Die testikuläre Männlichkeit als Vater war es, die der Staat regulierte. Unauflöslichkeit katholischerweise. Anreiz zur Zeugung im Nationalsozialismus als männliche Freiheit. Die Frauen waren immer Erfüllungsgehilfinnen dieser staatlichen Wünsche. Und der Staat. Heute. Diese testikuläre Männlichkeit finden wir in der Regierungserklärung der ÖVP/FPÖ Regierung 2018 wieder. Auf Seite 105. "Die Verschiedenheit von Mann und Frau zu kennen, anzuerkennen ..." Ergänzen wir diesen Satz mit der Wortmeldung des Abgeordneten Zanger (FPÖ), "Familie ist, wo gezeugt wird", dann sind wir in der Grunddebatte Cisleithaniens und der Nachfolgestaaten zurück.

Es war das Eherecht, über dem die Politik von der Monarchie bis in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts sich entschied und scheiterte. Immer wieder. Und. Die Unauflöslichkeit der Ehe für die katholischen Personen in Cisleithanien. In Wien. Das Gefühl, alles wäre schon zu Ende und nur eine vollkommene Veränderung böte einen Ausweg. Die Begeisterung für den Ersten Weltkrieg geht auf dieses Gefühl zurück.

Aber. Ein von Staat, Religion und damals Kaiser in Aussicht auf das ewige Leben auferlegtes Schicksal. Über so lange Zeit. Das formt eine Kultur. Das stellt her, wie Männer und Frauen sein müssen, um unter diesen Umständen ihr Leben leben zu können. Das bestimmt, wie Liebe und Trauer zur Erscheinung kommen. Und die Unauflöslichkeit als Anordnung der romantisch-katholischen Ehe. Ein weibliches Selbst nimmt da ganz andere Formen an als in offeneren Kulturen.

Und. Nie und zu keiner Zeit waren die realen Lebensmöglichkeiten von Frauen Grundlage von politischen Überlegungen und den daraus folgenden Rahmenbedingungen. Immer und zu allen Zeiten waren es die persönlichen Haltungen der Politiker, die sich in der Frauenpolitik ausdrückten. In allen Parteien und allen Weltanschauungen. Und heute. Die Leistung des Selbsterhalts und der Selbstvorsorge der Frauen wurde nie anerkannt. Nie wurde daraus der Anspruch auf Gleichberechtigtheit abgeleitet. Es wird den Frauen, die nun für sich selbst sorgen, der Platz dafür nicht eingeräumt. Nie stand einer auf und hieß die Frauen als gleichberechtigt willkommen. Es wurden die alten Formen des Denkens davon, dass "Er denkt. Sie denkt in ihm" auf die neuen Umstände angepasst.

Und deshalb spricht ein Mann hierzulande mit einer Frau im männlichen Selbstgespräch dieser alten Konstellation. Eine Konstellation ist das, in der der Mann damit rechnet und damit rechnen kann, dass die Frau ihn verstehen will. Dass sie automatisch weiß, worauf sein Sprechen hinausläuft. Wie in allen Machtverhältnissen weiß die machtlose Partei alles über die mächtige. Die mächtige Partei kann über die machtlose Partei nichts wissen. Macht muss ja auf einer Blindheit den Verhältnissen gegenüber bestehen. Ihre Selbstverständlichkeit und damit wiederum ihre Macht beruht auf dieser Blindheit.

International. Auf Englisch wird das "mansplaining" genannt. Und kritisiert. Österreichischerweise ist das ein Normalzustand. Das ist nicht nur antidemokratisch, das ist auch antiintellektuell. Denn. Ein männliches Denken, das das Weibliche miteinzuschließen glaubt. Eine Person, die so denkt. Historisch war das einfach. Der katholische Mann des 19. Jahrhunderts musste nicht nachdenken, was er denkt, weil er gläubig war. Der postkatholische Mann, den wir hierzulande treffen. Dieser Mann denkt nicht darüber nach, was er denkt, weil er sich auf eine postkatholische Kultur des spezifisch österreichischen Chauvinismus verlässt. Dieses Denken. Das nennt sich dann manchmal Philosophie.

Demokratisch ist das nicht

Aber demokratisch ist das nicht. Und ästhetisch auch nicht. Aber. Es schafft eine selbstverständliche Grenze für Frauen und entpuppt sich so als perfekte Methode der Elitenabsicherung. Reaktionäre Eliten sind das, die sich ihr Denken selbst verschleiern helfen. Die Reaktion darauf ist ein Braindrain begabter junger Frauen, die im Ausland jene Anerkennung suchen, die sie in Österreich systemisch verweigert bekommen. Und. Das einzige Interesse von Eliten ist ihr Selbsterhalt. Was das für die Allgemeinheit bedeutet, ist da gleichgültig. Ja. In der Nachstellung bürgerlicher Politikvorstellung sind diese Eliten der Meinung, ein gemeinsames Gutes zu repräsentieren. Dass die Eliten hierzulande männlich sind, das führt sich kulturell auf das Eherecht der Monarchie zurück. Herrscher zumindest im eigenen Haus. Das lehrt, wie herrschen geht. Alle Fundamentalismen funktionieren auf diesen familiären Hierarchien von Söhnen über die Töchter.

Keine Ungleichheit mehr

Die Anstrengung, sich aus diesen überkommenen Machtverhältnissen zu befreien. Diese Anstrengung überließ man den Frauen und diskriminierte sie dann gleich dafür. Dass es darum ginge, demokratische Personen zu werden. In einer Demokratie. Der bürgerliche Mann. Die postbürgerliche Person. Zu groß scheint die Verführung zu sein, sich keine Gedanken darüber zu machen, dass Demokratie eine Lebensform ist. So kann sich jeder selbst ein Antirevolutionär sein und in herzigem Chauvinismus Patriotismus behaupten. Österreich ist ein chauvinistisches Land. Den Eliten geht es da gut. Und das Wahlrecht der Frauen. Die Frauen. Die ziehen dann ein Dirndl an und lassen es gut sein. Es soll ja niemand verschreckt werden.

Es gibt selbstverständlich ein Mittel, sich aus allen diesen Fragen zu befreien. Männer wie Frauen. Alle Geschlechter. Ein für alle Mal ginge das. Es müsste nur
die vollkommene Gleichberechtigtheit gegeben sein. Die vollkommene kulturelle Gleichberechtigtheit der Person müsste das ergeben. Das Wahlrecht. Es müsste ernst genommen gelebt werden. Keine Ungleichheit mehr, die durch Geschlecht bestimmt ist. Wenn in der Nennung der Person. Also in ihrem Namen. Wenn darin die vollkommene Gleichheit mit allen anderen Personen enthalten ist. Dann wird sich diese Gleichheit zu allererst in der Sprache zeigen. Wenn jede Person in ihrer Gleichheit mit allen anderen Personen selbst endlich unvergleichlich sein kann, dann werden all diese Personen anders über
ihr dann selbstbestimmtes Geschlecht reden können. Bis dahin aber. Bis zu diesem Zustand eines endlich Demokratischen. Bis dahin braucht es die Deklaration, auf dem Weg zu Demokratie sein zu wollen, indem die weibliche Form der Benennung Anwesender dezidiert verwendet wird.

So gesehen. In der Diskussion über Literatur und Politik. Gleichheit war gar nicht gegeben. Die Subsumierung unter die männliche Bezeichnung, wie die Kulturmanagerin das dem Moderator einräumen wollte. Es ist die Auslöschung der Frauen in ihre sekundäre Gedachtheit unserer Kulturgeschichte. Und. Mit jedem Vorfall dieser Art. Das Archilexem. Es ist mit der gesamten Geschichte des historisch Männlichen unserer Kultur aufgeladen. Zum jederzeitigen Abruf liegt das bereit. Und das Wahlrecht für Frauen. Heute. Jede müsste zuerst an sich denken. Das ist nicht romantisch. Aber politisch. Und politisch ausgeübt. Frauen könnten mitbestimmen, wie sie leben sollen. Können. Müssen. Jede Stimme könnte eine Kleinstrevolution dagegen sein, im Männlichen mitgemeint zu sein, aber trotzdem Steuer zahlen zu müssen. In der Abwahl einer Elite, die in der Kulturpolitik den Frauen keinen Platz einräumt. Ja, die in diesem Nichteinräumen alte Beherrschungsformen neu verstärkt. Genau für solche Vorgänge war das Wahlrecht für Frauen gedacht. Die eigenen Interessen vertreten. Als Frauen. Und die Männer. Sie sollten den Frauen darin folgen. Und nicht an ihren vielen Stammtischen sitzen bleiben. (Marlene Streeruwitz, 12.11.2018)