Mit der Eröffnung findet die langjährige Diskussion über die Schaffung des ersten Geschichtsmuseums des Bundes einen vorläufigen Abschluss. Was nach Mai 2020 mit den Räumlichkeiten passieren wird ist unklar.

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Wien – Am Samstag, eröffnet das Haus der Geschichte Österreich (hdgö). Neben der Ausstellung "Aufbruch ins Ungewisse. Österreich seit 1918" in der Neuen Burg wartet am Heldenplatz zwischen 13 und 21 Uhr ein Festprogramm auf das Publikum. Den Anfang macht ein Festakt im Camineum der Nationalbibliothek mit einer Rede des Nobelpreisträgers Eric Kandel, die Oliver Rathkolb für den Erkrankten vorträgt.

Die Ausstellung "Aufbruch ins Ungewisse – Österreich seit 1918" lässt auf 750 Quadratmetern anhand von sieben Themen die vergangenen 100 Jahre Revue passieren: Dazu gehören unter anderem "Wunder Wirtschaft?", "Diktatur, NS-Terror und Erinnerung" oder "Gleiche Rechte?!" sowie die Installation "Macht Bilder!". Ausgangspunkt ist die Ausrufung der Republik, die sich am kommenden Montag zum 100. Mal jährt. Unter den fast 2.000 Exponaten findet sich ein Entwurf zum Staatsvertrag ebenso wie das hölzerne Waldheim-Pferd von Alfred Hrdlicka, der Sturzhelm Hermann Maiers oder die Song Contest-Robe Conchitas.

Mit der Eröffnung findet die langjährige Diskussion über die Schaffung des ersten Geschichtsmuseums des Bundes nur einen vorläufigen Abschluss. Was nach Mai 2020 mit den Räumlichkeiten passieren wird ist ebenso ungewiss wie der künftige Name und die Struktur der derzeit an die Nationalbibliothek angeschlossenen Institution. Ein Neubau zählt dabei ebenso zu den Vorschlägen wie eine Umbenennung in "Haus der Republik" und eine stärkere Anbindung an das Parlament. Bis inklusive Montag – dem eigentlichen Republiksjubiläum – ist die erste Ausstellung jedenfalls bei freiem Eintritt besuchen.

Ja zu Fortbestand und Weiterentwicklung

Beim Festakt im Camineum der Nationalbibliothek am Samstag verlas Moderatorin Ingrid Thurnher vor zahlreichen Ehrengästen ein Grußwort von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der bedauerte, aufgrund seiner Teilnahme an den internationalen Gedenkfeiern zum Ende des Ersten Weltkriegs in Paris nicht mit dabei sein zu können. Er erinnerte daran, dass die Eröffnung des Hauses der Geschichte die Einlösung eines Versprechens bedeute, das seit Jahrzehnten in fast allen Regierungsprogrammen enthalten war.

Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) stellte in einem "persönlichen Bekenntnis" klar, "dass wir uns alle zum Fortbestand dieser Institution bekennen". Ein erster Schritt sei die Sicherstellung "der budgetären Bedeckung für 2019 und darüber hinaus" gewesen. "Langfristig wird sie als eigenständige Einrichtung aufgewertet werden." Dabei halte er bei Wahrung der wissenschaftlichen Unabhängigkeit die geplante Heranführung an das Parlament für ganz wesentlich, um einen breitest möglichen Konsens sicherzustellen.

Wolfgang Sobotka, der Präsident des österreichischen Nationalrates, betonte, "der Grundkonsens zur Weiterentwicklung ist nicht nur in der ganzen Regierung, auch im ganzen Parlament tief verankert". Er richtete seinen "herzlichen Dank und herzliche Gratulation" an Direktorin Monika Sommer und ihr Team. Mit ihrem Ansatz der Verdeutlichung unterschiedlicher Betrachtungs- und Sichtweisen auf bestimmte Kapitel der Geschichte habe das Haus "gleich zu Beginn einen richtigen und richtungsweisenden Schritt gesetzt".

Rathkolb verlas Kandels Rede

Die Festrede des Neurobiologen Eric Kandel wurde aufgrund einer kurzfristigen Erkrankung des Nobelpreisträgers vom Zeithistoriker Oliver Rathkolb, dem Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beirates, verlesen. In Anlehnung an Hugo Bettauers Roman "Die Stadt ohne Juden" nannte Kandel, der vor wenigen Tagen seinen 89. Geburtstag gefeiert hat, seine Rede "Austria: A Country Without Jews". Österreich sei nämlich durch den Holocaust, aber auch durch eine Nachkriegspolitik, die an vertriebene Juden keine Einladung zur Rückkehr aussprach, sondern im Gegenteil ihnen das Heimkommen schwer machte, zu einem Land mit einem verschwindend kleinen Anteil an jüdischer Bevölkerung geworden.

Das sei aus zwei Gründen eine große Enttäuschung: Erstens, weil Österreich von den Juden sehr gewinnen könne, zweitens, weil diese sehr von einem Leben in Wien gewinnen könnten. Österreich habe zwar große Anstrengungen bei der Überwindung des Antisemitismus und in der Erinnerungskultur unternommen, er vermisse aber Initiativen, die jüdische Gemeinde in Österreich zu vergrößern und das jüdische Leben des Landes zu fördern.

"Die Eröffnung eines Museums österreichischer Geschichte, vor allem, weil es am Heldenplatz liege, ist für mich ein sehr persönliches Ereignis." Der in Wien geborene Nobelpreisträger erinnerte daran, dass am Heldenplatz, dem Standort des neuen Museums, im März 1838 Hunderttausende Österreich die "Anschluss"-Rede Adolf Hitlers frenetisch bejubelt hätten. Deshalb sei es so wichtig, dass der Balkon, von dem Hitler gesprochen habe, als extrem wichtiger Geschichtsort "zugänglich gemacht und ins Museum integriert" werde. "In den wenigen Tagen des 'Anschluss' wurde das Leben von Juden in Wien dramatisch verändert. Ich erinnere mich lebendig daran, wie mein Vater dazu gezwungen wurde, die Straße vor seinem Geschäft mit einer Zahnbürste zu waschen." Als Neurobiologe, der sich besonders mit dem menschlichen Gedächtnis beschäftige, wisse er um das besonders Prägende von traumatischen Ereignissen.

Rachinger sieht demokratische Bewusstseinsbildung

Der mit einem speziellen Musikprogramm begleitete Festakt, in dem u.a. Stücke der von den Nazis verfolgten Komponisten Erich Wofgang Korngold und Erwin Schulhoff zu hören waren und der mit Bundeshymne und Europahymne beschlossen wurde, gab auch jenen, die mit der Umsetzung des Projekts befasst waren, Gelegenheit zu Statements: Die Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, Johanna Rachinger verwies darauf, dass es sich um eine Institution handle, "die sich demokratische Bewusstseinsbildung auf die Fahnen geschrieben hat", Direktorin Monika Sommer, die besonders langen Applaus erhielt, dankte Blümel und Sobotka für ihr klares Bekenntnis zum weiteren Ausbau des hdgö. "In Rekordzeit haben wir ein solides Fundament dafür gelegt. Österreich hat jetzt einen Ort, an dem seine jüngste Geschichte zu Hause ist."

Kurzstatements von Mitgliedern der Gremien des Hauses betonten die starke internationale, aber auch landesweite Verankerung des Museums. Der ehemalige Salzburger Landeshauptmann Franz Schausberger meinte etwa, es sei "nicht alltäglich, dass ein Vertreter der Bundesländer in Wien seine uneingeschränkte Zufriedenheit bekunden kann".

Oliver Rathkolb gab seiner Hoffnung "auf eine große, international herzeigbare Lösung" Ausdruck. "Vielleicht gelingt es uns auch einmal, den Heldenplatz ins 21. Jahrhundert zu holen. Dem Parlament ist es durch die beiden Pavillons gelungen, diesen Platz von der Monarchie in die Republik zu holen".

Für Fischer soll Name bleiben

Ex-Bundespräsident Heinz Fischer, der Regierungsbeauftragte für das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018, freute sich darüber, dass es sich beim neuen Museum "um kein Wahrheitsmuseum im Sinne von George Orwell, sondern um ein Geschichtslaboratorium" handle. In der Frage, ob das Haus wie letzthin von Blümel und Sobotka angeregt, in "Haus der Republik" umbenannt werden soll, ließ er jedoch klare Sympathie für den bestehenden Namen erkennen: "Ich denke, dass das ein guter Name ist, der seine Funktion erfüllen wird", sagte er und erntete damit viel Applaus. (APA, 10.11.2018)