Die Wiener Traditionen, die uns seit Jahrhunderten begleiten, sind trotz ihrer Langlebigkeit immer noch für Geheimnisse gut. Zum Beispiel die sogenannte Wiener Fusion-Cuisine.

Diese Fusion findet dann statt, wenn sich ein Fleischstück (klassisch Kalb, massentauglich Schwein, neumodisch Pute) mittels beherzten Schwungs und unter erheblicher Geräuschpegelentwicklung mit einem schweren Küchenutensil vereinigt, das den zärtlichen Namen Schnitzelpracker trägt. Nach fachgerechter Plättung, die durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen kann, wird das weltweit geschätzte Produkt in die Pfanne gehauen.

Das in Schmalz ausgebackene, eingebröselte Endergebnis, an dessen satten Goldton kein Klimt-Bild je herankommt, verspricht himmlische Genüsse und die beinahe unausweichliche Verstärkung jenes Materials, das die Engländer"love handles" nennen.

Aber wo Liebe hinfällt. Da muss man durch. Durch muss man allerdings auch, wenn man sich über einem klassischen Wiener Gasthaus einmietet. Nicht das Lachen der Gäste im Schanigarten, nicht die Unterhaltungen der Kellner auf Rauchpause im Hinterhof stellten für eine solcherart betroffene Freundin ein Problem dar. Sondern dieses überaus rätselhafte Geklopfe zwischen zehn und zwölf Uhr vormittags.

Verlässlich. Täglich. Auch feiertags. Wochenlang zerbrach sie sich den Kopf, wer bloß der nachbarschaftliche Poltergeist sein könnte und warum dieser rücksichtslose Mieter täglich, auch sonntags, ausgerechnet in der Früh renovieren musste, aber so kurz, dass sich die Prozedur mit einigem Pech vermutlich noch Monate ziehen würde. Bis irgendwann eine Frau aus dem Gastgewerbe bei ihr auf Besuch vorbeikam und sie alle Hoffnung auf zukünftige Mittagsruhe fahren ließ. It’s the Schnitzel, stupid. (Julya Rabinowich, 10.11.2018)