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Gegen Nationalismus, für friedliche Kooperation: Macron und Merkel in Paris.

Foto: REUTERS Fotograf: REINHARD KRAUSE

Paris – Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat am Sonntagvormittag die Teilnehmer der internationalen Gedenkfeier anlässlich des 100. Jahrestags des Endes des Ersten Weltkriegs im Élysée-Palast empfangen. Unter anderem wurde auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit seiner Frau Doris Schmidauer von Macron und seiner Ehefrau Brigitte begrüßt.

Knapp 70 Staats- und Regierungschefs, darunter US-Präsident Donald Trump und der russische Staatschef Wladimir Putin, hatten eine Einladung Macrons zu der Feier am Pariser Triumphbogen angenommen. Macron will die Feier zum Jahrestag des Kriegsendes, der in Frankreich alljährlich groß begangen will, diesmal zu einem Friedensappell und Aufruf zu internationaler Zusammenarbeit machen.

Bus statt Konvoi

Symbolträchtig war dabei auch, wie die Festgäste vom Élysée-Palast zum Triumphbogen gelangen sollten: Gemeinsam im Bus statt wie bei solchen Feiern üblich in einer langen Wagenkolonne.

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Die Feier sollte unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden, nachdem es am Samstag Berichte über Anschlagspläne gegen Macron und mögliche rechtsextreme Störaktionen gegeben hatte. Tausende Polizisten waren im Einsatz, um den Arc de Triomphe großräumig abzuriegeln.

Die zur Pariser Sehenswürdigkeit führenden Prachtstraßen, darunter die Champs Elysees, waren leergefegt. Schon mehrere Stunden vor Beginn der Gedenkfeier bildeten sich an den Absperrungen lange Schlangen von Schaulustigen, die auch dem regnerischen Wetter trotzten. Überall waren auch Kriegsveteranen und uniformierte Soldaten aus verschiedenen Ländern zu sehen, die zur Feier geladen waren.

In London sollte am Sonntag ebenfalls eine Gedenkfeier stattfinden, zu der unter anderem der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier anreisen wollte. Er ist der erste deutsche Präsident, der einen Kranz am Cenotaph, dem Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, in der britischen Hauptstadt niederlegt. Bereits am Samstagabend hatte dort unter den Augen von Queen Elizabeth II eine Festveranstaltung stattgefunden. Großbritannien zählt zu den wenigen EU-Staaten, die nicht auf höchster Ebene bei der Pariser Feier vertreten sind.

Nach der Feier war ein Mittagessen für die Festgäste im Elysee-Palast angesetzt. Am Nachmittag sollten die Staats- und Regierungschefs sollten am Nachmittag an der ersten Ausgabe des Pariser Friedensforums teilnehmen, bei dem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Eröffnungsrede halten wollte. Die Ehepartner der Staatsgäste sollten im Schloss Versailles an einem Konzert der Wiener Philharmoniker teilnehmen.

"Frieden über alles"

Macron hat in seiner Rede vor einer Rückkehr "alter Dämonen" in der internationalen Politik gewarnt und zu internationaler Zusammenarbeit aufgerufen. "Ich wünsche, dass wir an diesem Tag unser ewiges Versprechen erneuern, unsere Toten zu ehren, den Frieden über alles zu stellen – weil wir den Preis dafür kennen", sagte Macron.

In der Rede erinnerte Macron an die Gräuel des Ersten Weltkrieges mit seinen Millionen Toten und äußerte sich auch kritisch über die damals – unter maßgeblichem Zutun Frankreichs – errichtete Nachkriegsordnung. "Der Krieg hat den Weg zum Frieden zerstört", sagte Macron. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe Europa und die Welt die Lehren daraus gezogen, verwies er auf die Gründung der EU und der UNO.

"Die Europäische Union hat uns von unseren Bürgerkriegen befreit", sagte Macron, der zugleich die deutsch-französische Freundschaft als "Grundfeste gemeinsamer Hoffnungen" würdigte. Macron übte in diesem Zusammenhang scharfe Kritik am Nationalismus, der "ein Verrat am Patriotismus" sei. "Es gibt alte Dämonen, die zurückkommen. Es droht, dass die Geschichte wieder ihren dunklen Weg nehmen könnte", kritisierte er Isolationismus, Obskurantismus, Intoleranz sowie all jene "die Lügen verbreiten".

Macron widmete sich über weite Teile der französischen Erinnerung an den Weltkrieg, dessen Erinnerung auf Schlachtfeldern und in nicht wiederaufgebauten Dörfern weiterlebe. Zugleich stellte er Frankreich als Land dar, das sich immer für moralische Werte eingesetzt habe, und sagte mit Blick auf den ehemaligen Kriegsgegner Deutschland. "Frankreich ehrt auch jene, die für andere Länder gestorben sind, jene, die in der Vergangenheit gegen uns gekämpft haben." An den Gräbern dieser Soldaten wolle man die Gewissheit erlangen, "dass eine bessere Welt möglich ist".

Das Vermächtnis der Toten könne man nur ehren, indem man sich für Frieden einsetze. Denn der Kampf für Frieden sei der einzige, der sich lohne, betonte Macron, der zugleich einen optimistischen Zukunftsentwurf präsentierte. "Wenn wir es möchten, kann unsere Welt am Beginn einer neuen Ära stehen", skizzierte Macron eine Welt vereint im Kampf gegen Klimawandel, Armut, Hunger, Ungleichheit und Ignoranz. "Wir haben diesen Kampf begonnen und wir können ihn gewinnen."

Macrons Rede bildete den Höhepunkt der großen Gedenkfeier am Triumphbogen, die mit der Entzündung der ewigen Flamme zu den Klängen von Maurice Ravels "Bolero" abgeschlossen wurde. Danach war ein Mittagessen im Elysee-Palast geplant, am Nachmittag wollte Macron die Staats- und Regierungschefs zum ersten Pariser Friedensforum bitten, während deren Ehepartner an einem Konzert der Wiener Philharmoniker in Schloss Versailles teilnehmen sollten.

Verheerende Opferbilanz

In dem verheerenden Krieg von 1914 bis 1918 starben fast neun Millionen Soldaten und mehr als sechs Millionen Zivilisten. Der Waffenstillstand mit dem Deutschen Reich wurde am 11. November 1918 in der Nähe von Compiegne in Nordfrankreich unterschrieben.

Am Nachmittag wird Kanzlerin Merkel das Friedensforum mit einer Rede eröffnen. Dort werden auch UN-Generalsekretär António Guterres und Macron sprechen. Macron wolle nach dem Weltkriegsgedenken ein Zeichen für die Gegenwart setzen und deutlich vor Nationalismus und Populismus warnen, hieß es aus dem Élysée-Palast. Der 40-Jährige geht in Europa hart gegen den rechtskonservativen ungarischen Regierungschef Viktor Orbán oder den italienischen Lega-Politiker und Innenminister Matteo Salvini vor.

Trump bleibt Friedensforum fern

Macrons Gast Donald Trump hatte sich im Wahlkampf vor den US-Kongresswahlen offen zum Nationalisten erklärt. Der Chef des Weißen Hauses will nicht zum Friedensforum kommen und plant stattdessen, den US-Militärfriedhof in Suresnes westlich von Paris zu besuchen.

Den Besuch eines anderen US-Friedhofes hatte Trump am Samstag aber kurzfristig abgesagt. In Paris soll es am Nachmittag eine Demonstration gegen Trump geben. Die Polizei warnte vor potenziellen Gewalttätern. Am Wochenende sind laut Medien rund 10.000 Sicherheitskräfte in der Hauptstadt im Einsatz.

Macron war am Samstag länger mit Trump im Élysée-Palast zusammengekommen. Die beiden Staatschefs zeigten sich versöhnlich, nachdem Trump seinen Gastgeber zuvor scharf kritisiert hatte. Stein des Anstoßes war die von Macron ins Spiel gebrachte europäische Armee gewesen. "Vielleicht sollte Europa zuerst seinen gerechten Anteil an der NATO bezahlen, die die USA erheblich bezuschussen!", hatte Trump mitgeteilt.

Merkel und Macron gedachten am Samstag in der Waffenstillstands-Gedenkstätte in Compiegne der Opfer des Weltkrieges. Es sei das erste Mal seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland, dass ein Bundeskanzler mit dem französischen Präsidenten an diesem Ort gewesen sei, resümierte Merkel in Paris. Das sei eine "symbolische Geste". "Insofern ist dieser Tag nicht nur Mahnung, sondern er ist auch Ansporn."

Weltweites Glockenläuten

Um elf Uhr läuteten in Frankreich die Glocken, gegen 13.30 Uhr dann weltweit. Im Berliner Dom stand am Vormittag ein Ökumenischer Gedenkgottesdienst auf dem Programm, der unter anderem von der Evangelischen Kirche in Deutschland und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz veranstaltet wurde.

Am Rande des Gipfels in Paris könnte es nach Angaben des türkischen Präsidenten Erdogan zu einem bilateralen Treffen mit Trump kommen. Die Türkei hatte zuvor Aufnahmen im Zusammenhang mit der Tötung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi mit den USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Saudi-Arabien geteilt. Der saudische Regierungskritiker war vor gut einem Monat im Konsulat seines Heimatlandes in Istanbul umgebracht worden. (APA, 11.11.2018)