Schon lange rührt die deutsche Bundesregierung die Trommel für Batteriezellen made in Germany – für die kommende Woche erhoffen sich Branchenexperten Klarheit über den Plan zu einem Firmenkonsortium. Mit Spannung wird deshalb die Rede des deutschen Wirtschaftsministers Peter Altmaier auf der zweitägigen Fachkonferenz zu Elektromobilität am Dienstag in Berlin erwartet.

Mindestens eine Milliarde Euro an Steuergeld soll Insidern zufolge dabei in die für Elektroautos wichtige Technologie fließen, wie drei Personen mit Kenntnis der Beratungen der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Das Geld soll als Zuschuss zum Aufbau einer Massenproduktion sowie zur Entwicklung verbesserter Batteriezellen eingesetzt werden.

"Mit Blick auf die Zukunft der Elektromobilität ist die Ansiedlung einer Batteriezellfertigung in Deutschland und Europa ein bedeutendes wirtschafts- und industriepolitisches Ziel", erklärte Christian Hirte, Staatssekretär im Ministerium. Die Autoindustrie habe mit der Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor ein "Klumpenrisiko". Der Staat müsse der Branche bei ihren Bemühungen, auf klimafreundliche Antriebe umzustellen, unter die Arme greifen. Und Technologieführerschaft bei der Zelle, zentrale Komponente des Elektroantriebs, ist nach Ansicht der Politik technologisch lebenswichtig für die deutsche Autoindustrie und sollte deshalb nicht den Herstellern aus Asien überlassen bleiben.

Korea und China führen

Die Autobauer sehen das bisher anders – sie kaufen Batteriezellen lieber bei Unternehmen aus Korea oder China ein, die sich bereits in Europa und auch Deutschland ansiedeln. Doch mit dem Batteriehersteller Varta – der zur Montana Tech des österreichischen Investors Michael Tojner gehört – , dem Chemieriesen BASF und der deutschen Vertretung des US-Autobauers Ford haben sich womöglich die ersten Firmen für das angestrebte Konsortium gefunden. Zumindest seien diese in intensiven Gesprächen mit dem Wirtschaftsministerium, sagten die Insider. Eine BASF-Sprecherin erklärte, es gebe ein Treffen mit Altmaier in der kommenden Woche. Varta und Ford wollten sich nicht äußern. Das Ministerium hielt sich bedeckt. BMW, Daimler oder Volkswagen mischten hingegen nicht mit, ergänzte ein Insider.

Die Autokonzerne scheuten bisher die Milliardenrisiken, die eine kostspielige Massenproduktion von Batteriezellen bedeutet. Sie haben genug damit zu tun, enorme Investitionen in die Technologietrends Elektrifizierung, autonomes Fahren und Vernetzung zu stemmen, während schärfere Abgasnormen und die Folgen des Dieselskandals die Kosten treiben und obendrein die Autokonjunktur an Schwung verliert. Daimler-Chef Dieter Zetsche und BMW-Boss Harald Krüger erklärten, die Zellproduktion sei besser bei Zulieferern aufgehoben.

Investitionen nötig

Doch der weltweit größte Autozulieferer Bosch entschied sich im Frühjahr dagegen. Eine Investition von 20 Milliarden Euro wäre nach Einschätzung des Stiftungskonzerns notwendig, um am Weltmarkt mithalten zu können. Die Nummer zwei der Branche, Continental, ist nicht abgeneigt, überlegt aber noch. "Wir gehen davon aus, dass wir nicht vor Ende 2020 eine endgültige Entscheidung treffen werden", sagte Finanzvorstand Wolfgang Schäfer zu Reuters. Volkswagen verhandelt Konzernkreisen zufolge unterdessen mit dem koreanischen Zellenhersteller SK Innovation über eine gemeinsame Fertigung in Europa. Europas größter Autobauer hat mengenmäßig in den kommenden Jahren so viel Bedarf, dass sich eine exklusive eigene Bezugsquelle lohnen könnte.

Aber lässt sich der Vorsprung der etablierten Hersteller wie SKI, LG Chem und Samsung SDI aus Korea oder Contemporary Amperex Technology (CATL) aus China überhaupt noch aufholen? Denn LG produziert bereits in Polen, Samsung und SK bauen Werke in Ungarn, und CATL plant eine Zellfabrik im deutschen Thüringen. Hier gehen die Meinungen auseinander. So warnt die Unternehmensberatung Boston Consulting, bis 2021 baue sich ein Kapazitätsüberschuss von weltweit 40 Prozent auf. Das werde die Preise einbrechen lassen, sodass neue Anbieter kaum etwas verdienen könnten. Experten von McKinsey und vom Fraunhofer-Institut widersprechen: Der Bedarf werde bis Mitte der 20er Jahre, wenn die deutschen Autobauer Millionen E-Autos verkaufen wollen, so hoch sein, dass noch viel Platz für neue Hersteller sein werde. "Das Rennen ist noch nicht entschieden", sagte Hans-Martin Henning, Direktor am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg. "Es ist der richtige Zeitpunkt, jetzt einzusteigen und aufzuholen."

Anschubfinanzierung

Mehr als eine Anschubfinanzierung kann die Milliarde aus der deutschen Staatskasse, so sie denn nach EU-Recht als Beihilfe für Unternehmen genehmigt werden kann, dabei nicht sein. Ein Werk mit einer Kapazität von zehn Gigawattstunden kostet nach Expertenangaben etwa eineinhalb Milliarden Euro. Das Fraunhofer-Institut schätzt den Bedarf auf 100 Gigawattstunden in Europa. In einigen Jahren könnten wettbewerbsfähige Player entstehen, die ohne öffentlich Mittel auskommen, so die Hoffnung von Minister Altmaier.

Eine erste Zellfabrik könnte nach Informationen der Insider in Westdeutschland angesiedelt werden. Eine weitere in der Lausitz, nicht weit von der Grenze zu Polen. Es gebe Gespräche mit Nachbarländern, erklärte Staatssekretär Hirte. "Es geht darum, ein europäisches Konsortium zu bilden." Das dürfte ganz im Sinne von EU-Energiekommissar Maros Sefcovic sein, der im vergangenen Jahr eine Europäische Batterieallianz ins Leben rief, um die Kräfte zu bündeln. Auch er wird zur "Vernetzungskonferenz Elektromobilität" in Berlin erwartet. (APA, 11.11.2018)