in der Ehenot wird zu Taten statt Worten gegriffen.

Foto: Susanne Einzenberger

Zuerst waren da August Strindberg und Henrik Ibsen, dann Edward Albee mit Wer hat Angst vor Virginia Woolf?, und jetzt hat Martin Crimp die Ehekracherdramenliteratur um eine Kurve weitergeschrieben. Sein Stück heißt Schlafende Männer (Deutsch: Ulrike Syha) und folgt in groben Zügen dem Albee-Klassiker von 1963, der mit Elizabeth Taylor und Richard Burton so schlagkräftig verfilmt wurde.

Die Ausgangslage: Ein Ehepaar im besten Alter empfängt daheim zu fortgeschrittener Stunde ein jüngeres Paar – zwecks gewinnbringender Erschütterung der eigenen Existenz. Nach dieser Nacht wird kein Stein mehr auf dem anderen geblieben sein. Das Stück des Briten Crimp, der in den 1990ern mit dem rätselhaften Identitätsdrama Angriffe auf Anne Furore machte, hatte im März in einer Inszenierung seiner langjährigen Kollaborateurin Katie Mitchell Uraufführung am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Das Schauspielhaus Wien zeigt nun die Österreich-Premiere.

Schauspielhaus Wien

Maria Lassnig und die Aktionisten

Und da kommt der Wiener Aktionismus ins Spiel. Crimp bezieht sich in seinem Titel zunächst direkt auf ein Werk der österreichischen Künstlerin Maria Lassnig, Schlafende Männer. Lassnig hat sich zwar den Aktionismus und sein "Männlichkeitsgetue" stets vom Leib gehalten, war aber dennoch eine Weggefährtin und Freundin von Nitsch, Mühl & Co. Darüber hinaus sind ihre Körperempfindungsbilder ein legitimer Link zur darstellenden Kunst.

Im Stück ist Gastgeberin Julia (Vera van Gunten) zudem Kunsthistorikerin und insbesondere mit der Frage befasst, Schwarzkogler rauszunehmen oder drinzulassen. "Woraus", weiß man allerdings nicht. Eines von mehreren Rätseln, die der Text aufgibt.

Regisseur Tomas Schweigen hat den Aktionismusball jedenfalls aufgefangen und statt eines gediegenen Akademiker-Esszimmers ein chaotisch-schmutziges Atelierloft ins Schauspielhaus gestellt (Bühne: Giovanna Bolliger). Hier zu leben macht keinen großen Spaß. Der Kühlschrank ist leer, getrunken wird aus der Leitung, kein Tisch weit und breit, und auch die Stühle sind seit Beginn der Ehe höchst unbequem.

Wenns nicht mehr geht, kaputtmachen

Aktionismus, das war die Zeit, als das Malen nicht mehr ging und in Farbkübel gedroschen wurde. Analog dazu wissen Julia und Paul (Sebastian Schindegger): Die zwanzigjährige Ehe geht nicht mehr, lass sie uns kaputtmachen. Die Inszenierung spielt auf dieser Symbolebene. Sie ist sehr klug, aber in ihrer Konzeptlastigkeit leider auch etwas öde anzusehen. Das Hantieren mit diversen zähflüssigen Materialien, mit Lehm, Farben und Getränken aus dem Pinselbecher, leidet an seiner Ideenhaftigkeit. Das Verformen des Gegenübers, die körperliche Übergriffigkeit: Sie stehen für die Gewalt der Grundsituation.

Doch diese Kleckerebene hat auch bald ausgedient. Die leise Mutation der Schauspieler zu zugeschütteten, bemalten oder zugeklebten Skulpturen bleibt doch einigermaßen Selbstzweck. Man sieht den Schauspielern (Alina Schaller und Anton Widauer als junges Paar) und der raffinierten Neuausrichtung dieses Ehefrustdramas aber gerne zu. Sie sind nämlich bei null Alkohol im Haushalt irgendwie ständig betrunken. (Margarete Affenzeller, 11.11.2018)