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Bürgerinitiativen gegen Bauvorhaben erhalten mehr Rechte.

Foto: AP/Ronald Zak

Wien – Wie viel Öffentlichkeitsbeteiligung ist für straffe Umweltverfahren verträglich? Diese Frage steht aktuell im Fokus der rechtspolitischen Diskussion. Auf der einen Seite finden sich Verfahrensbeschleunigung und Standortsicherung im Lastenheft der Regierung. Auf der anderen Seite haben sich Österreich und die EU mit dem Beitritt zur Aarhus-Konvention zur Gewährung einer umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung verpflichtet.

Gerade hat der Gesetzgeber mit der UVP-Novelle 2018 eine zusätzliche Hürde für Umweltorganisationen bei Umweltverträglichkeitsprüfungen eingeführt – sie müssen in Zukunft mindestens hundert Mitglieder aufweisen und werden laufend überprüft –, schon öffnet der Verwaltungsgerichtshof der Öffentlichkeit ein bisher verschlossenes Tor. Bürgerinitiativen haben künftig auch in vereinfachten UVP-Verfahren Parteistellung und Beschwerdebefugnis; die entgegenstehende innerstaatliche Norm hat aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts unangewendet zu bleiben, heißt es in einem aktuellen Erkenntnis (VwGH 27. 9. 2018, Ro 2015/06/0008-7). Dabei ging es um eine Bürgerinitiative, die bei einem Verkehrssystem in Feldkirch mitreden wollte.

Strittig seit dem Jahr 2000

Seit der Differenzierung zwischen normalem und vereinfachtem UVP-Verfahren im Jahr 2000 war diese Frage strittig. Gegen die volle Parteistellung wurde unter anderem eingewandt, dass die Aarhus-Konvention Bürgerinitiativen nicht kennt und sich insofern an der Unterscheidung nicht stören kann.

Das hat der VwGH nun anders gesehen. Immerhin setze die Gründung einer Bürgerinitiative einen Zusammenschluss von zweihundert natürlichen Personen voraus, deren örtliche Nahebeziehung zum Vorhaben sich durch ihre notwendige Wahlberechtigung verdichte. Daraus erschließt sich eine – zumindest wahrscheinliche – Betroffenheit.

Unauflösbarer Widerspruch?

Die Vorstellungen der Regierung und jüngere Entscheidungen von EuGH und VwGH lassen sich derzeit bei umweltrelevanten Themen generell nur schwer in Einklang bringen. Man denke nur an den – mittlerweile zurückgezogenen – Vorschlag zu einem Standortentwicklungsgesetz (Stichwort: Genehmigungsfiktion), den Juristen auf beiden Seiten – Projektwerber- und Projektgegnervertreter – in ungewohnter Einigkeit ablehnten. Oder an die EuGH-Entscheidungen "Protect" bzw. das VwGH-Erkenntnis "Luftreinhalteplan Salzburg", in denen die Gerichte der Öffentlichkeit innerstaatlich nicht vorgesehene Rechte zusprachen. Verfahrensbeschleunigung und Öffentlichkeitsbeteiligung scheinen im unauflösbaren Widerspruch zueinander zu stehen.

Untersuchungsumfang ist wichtiger

Doch dies trifft nicht den Kern des Problems: Der größte Zeitverlust resultiert nicht aus der Öffentlichkeitsbeteiligung, sondern aus dem überbordenden Untersuchungsumfang. Natürlich wird bei den entsprechenden Abgrenzungen von der Öffentlichkeit immer ein Mehr gefordert. Diese Forderung allein bewirkt aber noch keine Verfahrensverzögerung. In diesem Bereich braucht es eine straffe Verfahrensführung, flankiert von gesetzlichen Festlegungen.

Durch das Einfrieren des Stands der Technik mit dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, das ebenfalls mit der aktuellen UVP-G-Novelle beschlossen wurde, wird für eine Verfahrensbeschleunigung deutlich mehr getan als mit Überlegungen zur Beschränkung von Parteienrechten. (Dieter Altenburger, 12.11.2018)