Foren als Ort für ausgeglichene Debatten.

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"There is no race, there are no genders, there is no age." Dieser Satz stammt aus einer Werbung der amerikanischen Telefongesellschaft MCI Worldcom aus dem Jahr 1997 und beschreibt die vermeintliche Chance des Internets, wo die verschiedensten Merkmale wie Ethnie, Geschlecht und Alter keine Rolle spielen. Dass Ungleichheiten oftmals nicht verschwinden, sondern besonders hervorgehoben werden, zeigt sich in der derzeitigen Debatte rund um Foren und sogenannte Hasspostings jedoch immer stärker.

DER STANDARD und das Österreichische Forschungsinstitut für Artificial Intelligence (OFAI) möchten im Zuge dieses Projekts mit einer Laufzeit von zweieinhalb Jahren bestehende Dynamiken rund um Geschlechterthemen analysieren und in der Folge geeignete Maßnahmen treffen, um ausgeglichene Debatten in den Foren zu fördern und destruktive Phänomene zu reduzieren.

Ungleichgewicht in den Foren

Auch wenn sich der Frauenanteil bei den Leserinnen und Lesern des STANDARD bereits mit 40 bis 45 Prozent annähernd an den Männeranteil angleicht, sind Frauen mit 20 Prozent bei den Posterinnen und Postern noch deutlich unterrepräsentiert. Diese Verteilung wurde anhand der ehemaligen Angabe von "Anrede" bei Neuregistrierungen ermittelt. Das Ungleichgewicht ist nicht nur zahlenmäßig feststellbar, sondern zeigt sich auch inhaltlich immer wieder in den Foren, zum Teil durch frauendiskriminierende und sexistische Postings.

Ziel dieses Projekts ist, die Ursachen für dieses Ungleichgewicht, aber auch die verschiedenen Einflüsse auf bestehende Dynamiken bei Geschlechterthematiken zu erforschen. Dabei helfen einerseits die Erfahrungswerte von Moderatorinnen und Moderatoren und andererseits eine sprachtechnologische Analyse durch das OFAI.

Sprachtechnologische Analyse

Diese sprachtechnologische Analyse sowie das maschinelle Lernen der Software werden vom OFAI übernommen. Dabei werden Computerprogramme herangezogen, um anhand von anonymisierten Postings sprachliche und inhaltliche Muster zu identifizieren. Hierbei steht nicht das biologische Geschlecht im Vordergrund, sondern vielmehr das soziale Geschlecht. Dieses ethnomethodologische Konzept des "doing gender" ermöglicht es, die Geschlechterverhältnisse in der Kommunikation zu erforschen und durch den Zusatz "doing" kulturelle Inszenierungs- und Interaktionspraktiken in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei lauten die zentralen Fragen: Wie werden Geschlechter hergestellt? Wann und wie wird auf sie Bezug genommen, und wie interagieren diese? Diese Herangehensweise ermöglicht dabei auch die bedeutende Beibehaltung von Pseudonymen in den Foren in der derzeitigen Debatte rund um Klarnamen.

Gleichzeitig soll anhand bestehender Angaben zur Anrede bei registrierten Userinnen und Usern sowie anhand von Befragungen ein Bezug hergestellt werden zwischen inhaltlich-textuellen Merkmalen von Postings und dem Interesse beziehungsweise der Bereitschaft von Leserinnen, sich aktiv am Forum zu beteiligen. Dies soll einerseits anhand manueller Analysen mittels Methoden aus den Sozial- und Geisteswissenschaften erfolgen. Andererseits soll maschinelles Lernen eingesetzt werden, um zu bewerten, welche Postings das Interesse von Leserinnen und Lesern wecken.

Gleichgewicht in den Foren stärken

Da die Foren des STANDARD einen Raum für gesellschaftliche Diskurse eröffnen, sollen im Rahmen dieses Forschungsprojekts ein Geschlechtergleichgewicht in den Foren gefördert und negative Phänomene in Bezug auf Frauen in den Foren eliminiert werden. Dieses Forschungsprojekt soll somit nicht nur bestehende Dynamiken innerhalb der Foren analysieren, sondern auch Maßnahmen eröffnen, dem Phänomen Diskriminierung von Frauen entgegenzuwirken. Dabei sollen die Foren für Frauen nicht nur attraktiver zum Posten, sondern auch zum Lesen werden.

In der heutigen Zeit, in der Ethnie, Geschlecht und Alter im Internet noch immer so eine bedeutende Rolle spielen, soll dieses Projekt dazu beitragen, dass diese Kategorien in den Hintergrund geraten und der Inhalt in den Foren die größere Rolle spielt. (Alina Huster, Brigitte Krenn, 20.11.2018)