In diesem Gericht in New York wird El Chapo der Prozess gemacht.

Foto: AFP/DON EMMERT

Jahrzehntelang galt er als der gefährlichste Drogenboss Mexikos, zweimal ist er aus Hochsicherheitsgefängnissen entkommen. Am Dienstag geht in New York der Prozess gegen Joaquín "El Chapo" ("der Kurze") Guzmán mit den Eröffnungsplädoyers so richtig los.

Laut Anklage, die lebenslänglich fordert, soll das Sinaloa-Kartell unter seiner Führung tonnenweise Kokain und andere Drogen in die USA geschmuggelt haben. Der Prozess findet unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt: Für Guzmáns Überstellung aus dem Gefängnis in den Gerichtssaal wird die Brooklyn Bridge gesperrt, sind Hubschrauber und mehrere Hundert Sicherheitskräfte im Einsatz. Im Gerichtssaal wird der 61-Jährige eine kugelsichere Weste tragen.

Ein Anschlag auf den Mann, der seit fast vier Jahrzehnten das Drogengeschäft in Mexiko kennt und beherrscht wie kaum ein Zweiter, wäre ein schwerer Schlag für die US-Ermittler. Undenkbar ist er nicht: Guzmán dürfte eine Menge unbequemer Details wissen über die Verstrickungen von Mexikos Elite ins Drogengeschäft – weshalb der mexikanische Staat lange zögerte, dem Auslieferungsantrag der USA stattzugeben.

Zahlreiche Kronzeugen

Die US-Geheimdienste und die Antidrogenbehörde DEA hingegen haben ein großes Interesse daran, dass er die Infos preisgibt und haben deshalb eine ganze Riege hochrangiger ehemaliger Kumpane aufgeboten, die als Kronzeugen den Druck auf El Chapo erhöhen sollen – darunter seine ehemalige rechte Hand, Dámaso López alias "Licenciado", ein Patensohn sowie Mitglieder der Beltrán-Leyva-Mafia, einst ein Arm des Sinaloa-Kartells.

Guzmán, dem die Isolationshaft anzusehen ist, zeigt sich der Öffentlichkeit meist geistesabwesend. Seine Anwälte stellen ihn als kleinen Zwischenhändler dar und wollen in vielen der elf Anklagepunkte auf unschuldig plädieren. Der Prozess, so lässt der Medienrummel vermuten, wird wohl eine große Show und somit ein gefundenes Fressen für US-Präsident Donald Trump, der die Mär vom "bösen Mexikaner" so vehement vertritt.

Neue Kartelle in Mexiko

In Mexiko geht derweil das Drogengeschäft immer brutaler weiter. Guzmáns Sinaloa-Kartell, so Experten, ist in interne Bruderkriege verstrickt, während neue Kartelle wie Jalisco Nueva Generación Boden gut machen und um strategisch wichtige Hochburgen und Routen kämpfen. Das treibt die Gewalt in die Höhe.

Im Jahr 2017 wurden in Mexiko fast 30.000 Morde registriert – heuer wird mit einer Steigerung gerechnet. Der Drogenkrieg, den die Regierungen den Kartellen erklärt haben, ist längst gescheitert. Das haben auch die die Staatschefs Lateinamerikas mittlerweile erkannt.

Die Verhaftung und Aburteilung von Drogenbossen, so der Politologe Guillermo Vasquez, heizt die Gewaltspirale an, weil daraufhin Nachfolgekämpfe ausbrechen. Korruption unterhöhlt den Rechtsstaat, Geldwäsche bläst Volkswirtschaften auf und pervertiert Finanzsysteme und Wahlkampagnen. Das Geld, das in den Drogenkrieg fließt, fehlt bei sozialen Investitionen und Prävention, was perspektivlose Jugendliche in die Arme der Kartelle treibt.

"Wir müssen die Abhängigkeit bekämpfen"

Selbst die DEA muss inzwischen einräumen, dass dies die falsche Strategie ist. "Du kannst El Chapo festnehmen, aber solange es Nachfrage gibt, geht das Geschäft weiter", sagte DEA-Sonderagent James Hunt jüngst der spanischen Tageszeitung El País. "Wir müssen die Abhängigkeit bekämpfen", forderte er.

Länder wie Uruguay, Chile und Mexiko beschritten ebenso wie zahlreiche US-Bundesstaaten mehr oder weniger zögerlich den Weg der Legalisierung erst einmal von Cannabis. Doch die US-Falken um Trump setzen weiterhin auf Prohibition und militärische Bekämpfung und drängen dem von ihnen abhängigen Hinterhof Militärhilfe auf.

Mexikos angehender Präsident Andrés Manuel López Obrador will eine andere Strategie fahren. Wie die genau aussehen wird, hat er aber noch nicht enthüllt. Aber Spannungen mit dem wichtigsten Handelspartner im Norden dürften vorprogrammiert sein. (Sandra Weiss, 12.11.2018)