Es war eigentlich alles nur eine Frage der Zeit. Die Fortschritte in der Gentherapie sind enorm, der Schweizer Pharmakonzern Novartis hat sich an die Spitze gesetzt. Laut Schweizer Medienberichten soll der Konzern demnächst eine Gentherapie gegen die Spinale Muskelatrophie (SMA) auf den Markt bringen, konkret gegen den SMA-Typ 1, eine erblich bedingte Variante der Erkrankung, die bei Neugeborenen festgestellt wird. Betroffen sind die Nervenzellen, die für die willkürlichen Bewegungen der Muskulatur zuständig sind. SMA führt zu einer fortschreitenden Verkümmerung der Muskeln und zu einem frühen Tod oder lebenslanger Behinderung.

Die Therapie unter dem Kürzel AVXS-101 wurde von der US-Firma Avexis entwickelt. Novartis hat dieses Unternehmen im April gekauft. Wenn ein Kind mit dieser Erkrankung auf die Welt kommt, könnte es durch eine einzige Infusion geheilt werden, lautet die Grundidee. Die krankmachenden Gene werden "repariert" und durch gesunde ersetzt. Das ist technisch bereits möglich.

Für Diskussionen sorgt der kolportierte Preis einer solchen einmaligen Behandlung: Die Therapie, so heißt es, soll vier Millionen Schweizer Franken (3,5 Millionen Euro) kosten.

Ethisches Dilemma

Novartis-Chef Vasant Narasimhan ließ allerdings verlautbaren, man werde "einen Weg finden, um diese Medizin allgemein zugänglich zu machen". Die entscheidende Frage wird dabei sein, wie AVXS-101 von den für Gesundheit verantwortlichen Behörden rund um den Globus finanziert werden soll.

Die Statistik: Spinale Muskelatrophie ist eine seltene Erkrankung, nur eines von 10.000 geborenen Kindern ist betroffen. In der Frage der Finanzierbarkeit ergibt sich ein ethisches Dilemma mit vielen Fragen: Wird die Therapie tatsächlich zugelassen, wer wird sie bekommen? Wer setzt den Preis für Medikamente fest, und auf welcher Grundlage? Und: Wie viel Geld ist einer Gesellschaft ein einzelnes Menschenleben wert? Experten befürchten, dass, wenn das öffentliche Gesundheitssystem bei der Finanzierung versagt, sich bald nur mehr sehr wohlhabende Familien diese Art von Therapie werden leisten können.

Neue Herausforderung

Und das gilt auch für eine Reihe anderer genetischer Erkrankungen, die durch zukünftige Gentherapien behandelbar, vielleicht sogar heilbar werden könnten. Die Frage wird sich in den nächsten Jahren also wahrscheinlich öfter stellen. Solidarität mit diesen Erkrankten sollte Teil einer öffentlichen Diskussion werden. (red, 13.11.2018)