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Stan Lee ist tot. Der Schöpfer vieler Comic-Helden wie Spider-Man starb im Alter von 95 Jahren.Seiner globalen Fangemeinde galt der Mann selbst als Superheld.

Foto: Ann Johansson/Corbis via Getty Images

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Stan Lee (mi.) mit "Spider Man" (li.) und dem Schauspieler Lou Ferrigno, der "The Incredible Hulk" in einer Fernsehserie verkörperte.

Foto: REUTERS/Fred Prouser

Stan Lee den Schöpfer von Comicfiguren zu nennen wäre nicht falsch, aber dennoch ein Affront. Denn der Mann, der Marvel Comics personifizierte, erschuf ein ganzes Universum. Und nicht bloß Figuren, sondern Charaktere. Rund 350 soll Lee mit seinem Stab entworfen und zum Leben erweckt haben. Darunter befinden sich ewige Helden wie Spider-Man, der grüne Grobklotz Hulk, die Fantastischen Vier (um Gottes Willen nicht mit den deutschen Rappern verwechseln!), Iron-Man, der Mann mit dem Hammer, Thor, die X-Men, Silver Surfer, Black Panther, Doctor Strange und, und und.

Mit diesen meist exzentrisch bis spärlich bekleideten Gestalten revolutionierte er in den 1960ern die Comickultur. Es war eine Zäsur, die bis heute anhält, wenn man die prosperierende Übertragung seiner Helden und Geschichten auf die Leinwand oder das Paralleluniversum der Videogames bedenkt. Finanziell kann man von einem Imperium sprechen – man bedenke allein die Umsätze mit dem jeweiligen Merchandise.

Markantes Kinn, Pilotenbrille, Oberlippenbart

Allein der heuer erschienene Blockbuster Black Panther soll bisher weltweit 1,3 Milliarden Dollar eingespielt haben. Es ist einer der erfolgreichsten Filme des Jahres. Der Mann, der diese Figuren und Geschichten ersonnen hat, ist nun gestorben: Stan Lee starb am Montag in Los Angeles.

Er prägte die Popkultur ebenso, wie Elvis Presley es mit Rock 'n' Roll getan hatte. Stan Lee war selbst ein Popstar: Markantes Kinn, Pilotenbrille, Oberlippenbart. So absolvierte er in diversen Marvel-Filmadaptionen immer wieder Cameo-Auftritte. Der Schöpfer im Kreise seiner Geschöpfe, das Publikum liebte ihn dafür bis zuletzt.

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Stan Lee 2013 bei der Premiere von "Iron Man 3".
Foto: REUTERS/Mario Anzuoni

Lee wurde als Stanley Martin Lieber am 28. Dezember 1922 in New York City geboren. Seine Eltern waren aus Rumänien ausgewanderte Juden. Schon als Zehnjähriger soll Stanley Shakespeare gelesen haben, Autoren wie Arthur Conan Doyle, Edgar Rice Burroughs oder Mark Twain beflügelten seine Fantasie ebenso wie die Filmhelden seiner Zeit.

Mit 17 hatte er die Schule hinter sich gebracht und wollte Schriftsteller werden. Nichts weniger als den großen amerikanischen Roman wollte er schreiben, das war sein Traum. Stattdessen füllte er die Tintenfässer der Zeichner bei Timely Comics. Dort erschien 1939 Marvel Comics #1.

Es war die goldene Zeit der Comicgeschichten, die in vielen Tageszeitungen als Fortsetzungsgeschichten erschienen und wie am Fließband produziert wurden. Dort lernte er das Handwerk, half aus und entwarf bald seine ersten Geschichten. Mit knapp 19 wurde er bereits Herausgeber. Das war 1941, der Zweite Weltkrieg tobte, und Lee musste einrücken – doch er hatte Glück und landete bei der Training Film Division, wo er sein Talent einsetzen konnte.

Stan Lee in der "Late Night"-Show von Conan O'Brien.
Team Coco

In den 1950ern kamen Comics im repressiven gesellschaftlichen Klima des Kalten Krieges und der daraus resultierenden Kommunistenparanoia der McCarthy-Ära unter Beschuss. Moralwächter unterstellten ihnen, die Gottesfurcht, die guten Sitten und all den anderen Quatsch zu unterlaufen. Zugleich machte das aufkommende Massenmedium Fernsehen den gezeichneten Geschichten Konkurrenz.

Helden mit Alltagssorgen

Das Comicgeschäft reagierte darauf, indem es vermehrt auf Fantasy-Helden setzte, Superhelden erlebten in den 1950ern ein Revival. In dieser Umbruchzeit schlug Lees Stunde. Mit dem kongenialen Jack Kirby schuf er 1961 das Superhelden-Team Fantastic Four. Der immense Erfolg brachte eine Produktion in Gang, die der Welt eine Riege unsterblicher Superhelden schenkte. Wobei Lee ihnen eine menschliche Note verlieh. Das bot ein höheres Identifikationspotenzial des Publikums. Seine Helden hatten Alltagssorgen, Ängste und Probleme.

Ein Zusammenschnitt von Stan Lees Cameo-Auftritten in Marvel-Filmen.
CBR

Spider-Man war ein ganz normaler amerikanischer Junge, der erst durch den Biss einer radioaktiven Spinne zu Superkräften kam. Ab 1962 kämpfte der Spinnenmann gegen das Böse.

Oder Thor. Der vom nordischen Donnergott abgeleitete Held musste erst als gehbehinderter Arzt arbeiten, ehe er in einem Stock seinen Hammer entdeckte und fortan ein Doppelleben führte: Er war Thor und Dr. Blake. Ähnliche Dr.-Jekyll-und-Mr.-Hyde-Identitäten besaßen viele Marvel-Charaktere.

"Zack! Bang! Arrgh!"

Ihre Verve bezogen diese Geschichten aus Lees Arbeitsstil. Er umriss den Zeichnern die Story, diese arbeiteten sie aus, er schrieb den Text in die Blasen: "Zack! Bang! Arrgh!" einerseits, andererseits überraschte eine Figur wie Thor mit einer hochgestochenen Sprache. Auch das konnte Lee.

Bei all der Produktivität gab es bald Streit um diverse Urheberschaften. Spider-Man-Mitschöpfer Steve Ditko verließ Marvel im Zorn, weil Lee ihn nicht entsprechend seiner Bedeutung für die Figur entlohnte. Auch Kirby verließ 1969 Marvel aus demselben Grund. Erst 20 Jahre nach seinem Tod haben Kirbys Erben mit Lee eine Vereinbarung gefunden, nach der Kirby entsprechend genannt und mit Tantiemenzahlungen bedacht wird. Beide gelten den Fans ihrer Figuren als Helden, nun ist der letzte von ihnen gegangen. Stan Lee wurde 95 Jahre alt. (Karl Fluch, 13.11.2018)