Noch hofft so mancher Brite auf ein zweites Referendum.

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London – London und Brüssel haben sich auf einen Brexit-Text geeinigt. Das bestätigte am Dienstagabend eine Sprecherin der britischen Premierministerin Theresa May. Die Vereinbarung wird am Mittwoch dem britischen Kabinett vorgelegt – sie soll laut Medienberichten auch eine Lösung in der strittigen Nordirland-Frage beinhalten. Das Treffen des britischen Kabinetts wird morgen um 15:00 Uhr (MEZ) stattfinden. Davor werden die Minister die Möglichkeit haben, dass angeblich 600-Seiten umfassende Dokument zu lesen. Die britischen Minister sollen den Deal nach Wunsch Mays dann absegnen.

Dass das passiert, ist aber alles andere als sicher. Wie es weiter heißt, soll May noch Dienstagabend mit einzelnen Ministern Vorgespräche führen, um ihnen die Eckpunkte der Übereinkunft vorzustellen. Auch die Botschafter der Mitgliedstaaten bei der EU wollten laut Berichten aus Brüssel am Mittwochabend über den Deal beraten. Dies wurde ebenfalls als Signal für eine Einigung gewertet.

Rote Linien der Unionisten

Noch nicht über ein Abkommen informiert war offenbar vorerst die Nordirisch-Unionistische Partei DUP, von deren Duldung Mays konservative Minderheitsregierung abhängig ist. Diese hatte in Fragen des Grenzregimes mehrere rote Linien definiert, von deren Einhaltung sie ihre Zustimmung abhängig machte.

Hintergrund ist, dass die EU die Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland offen halten will, die DUP aber keine Kontrollen zwischen Nordirland und dem Rest Großbritanniens akzeptieren will. Vereinbart Großbritannien aber Freihandelsverträge mit Staaten, für deren Importe die EU Zölle verhängt, müsste es an einer der beiden Stellen Kontrollen geben. Es wird "sehr, sehr schwer" sein, den Deal zu verkaufen, kommentierte der stellvertretende DUP-Chef, Nigel Dodds.

Vorher hatte es geheißen, der Deal sei nun beinahe in Reichweite, man sei "vorsichtig optimistisch", hieß es in London. Allerdings: "Die Premierministerin betont, dass es keine Einigung um jeden Preis geben wird." Außenminister Jeremy Hunt sagte der Agentur Reuters, dass 95 Prozent des Vertrags feststünden, aber die verbleibenden fünf Prozent am schwierigsten zu lösen seien.

May-Gegner stellen sich gegen Deal

In ersten Stellungnahmen gab es bereits Widerstand gegen den erreichten Deal. So hat etwa Jacob Rees-Mogg von den konservativen Tories sich gegen den Deal ausgesprochen. Er hoffe, dass die Minister und am weiteren Verlauf auch das Parlament den Deal blockieren würde. Rees-Mogg zählt zu Mays größten politischen Widersacher. Er optierte für einen harten Brexit.

Auch der ehemaligen Außenminister Boris Johnson nannte den Deal "Stoff eines Vasallen-Staats". Er kündigte an, gegen den Deal zu wählen. Er ist zwar nicht mehr Außenminister, sitzt aber weiterhin im Parlament.

EU veröffentlicht Notfallplan

Die EU-Kommission hat trotz des britischen Optimismus einen Notfallplan für den Fall eines Scheiterns der Brexit-Verhandlungen verabschiedet. Er enthält "eine begrenzte Zahl von Notfallmaßnahmen in vorrangigen Bereichen", wie die EU-Behörde am Dienstag mitteilte.

Großbritannien will die EU Ende März 2019 verlassen. Über eine Vereinbarung für einen geordneten Austritt verhandeln London und Brüssel seit Monaten. Größter Knackpunkt ist die Frage, wie sich nach dem Austritt Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindern lassen.

Der Weg zum Brexit

Bis der Brexit-Deal tatsächlich auf allen Ebnen steht, müssen noch diverse Instanzen durchlaufen werden. Wenn die britischen Minister morgen zustimmen, ist das nur der erste – wenn auch gewichtige – Schritt in einer Reihe an notwendiger Absegnungen. So müssen auch die EU-Minister und die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedsstaaten dem Deal zustimmen. Schließlich geht der Deal an die Parlamente: Sowohl das britische Parlament als auch das EU-Parlament muss den Deal abnicken. (red, 13.11.2018)