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In unserem Essen ist viel zu viel Zucker: Diabetes ist nicht eine Frage der Eigenverantwortung, sondern auch der Umwelt. Zudem gibt es auch eine genetische Prädisposition.

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STANDARD: Sie haben täglich mit Adipositas- und Diabetes-Patienten zu tun. Was ist deren Hauptproblem?

Francesconi: Typ-2-Diabetes wird oft als Wohlstandserkrankung charakterisiert: Die meisten glauben, dass nur wer fett und faul ist, daran erkrankt. Stillschweigende Schlussfolgerung daraus: "Brauchen ja nur abnehmen und sich bewegen, um gesund zu werden!" Bei dieser Stigmatisierung, die sowohl die Erkrankten als auch die Erkrankung selbst betrifft, geht unter, dass es eine genetische Disposition braucht, um an Typ-2-Diabetes zu erkranken, immerhin gibt es ja viel mehr dicke Menschen als Diabetikerinnen und Diabetiker. Trotzdem findet sich in der Bevölkerung, aber auch bei vielen Ärztinnen und Ärzten und Diabetes-Beratern und sogar bei den Patientinnen die Haltung, dass wer an Typ-2-Diabetes erkrankt, lediglich ein Lifestyle-Versager sei.

STANDARD: Schlecht fürs Image?

Francesconi: Aus diesem Grund outen sich praktisch keine Prominenten als Typ-2-Diabetiker, da die Erkrankung nicht zu Erfolgs- und Führungsmenschen passt. Daher gibt es weder Mitleid noch eine "Lobby" für Typ-2-Diabetikerinnen. Jede Investition in Prävention und Therapie wird damit auch als Verschwendung wahrgenommen, weil es ja für den Betroffenen möglich sei, sich durch Abnehmen selbst zu heilen.

STANDARD: Gibt es Verbesserungen in der Blutzuckermessung?

Francesconi: Es gibt wie immer nicht eine Erkenntnis, sondern viele. Relevant für den klinischen Alltag ist sicherlich die Entwicklung von technischen Neuerungen, die auch kürzlich am EASD-Kongress in Berlin, der größten Veranstaltung dieser Art in Europa, zu sehen waren. Die Geräte waren uns zum Teil schon bekannt, aber es ist natürlich schön, dass die Medtronic-Insulin-Pumpe, die G670, jetzt tatsächlich auch bei uns in Europa bald Realität werden wird. Das ist ein Closed Loop-System mit entsprechender Sensortechnik dran. Es ist auch erfreulich, dass es eine neue Generation von Free-Style-Libre-Geräten geben wird, die endlich mit dem lang ersehnten Alarm für Über- und Unterzuckerungen ausgestattet sind. Es gibt schon jetzt viele Libre-Fans, die aber stark bemängeln, dass sie das Gerät rechtzeitig akustisch vor Hypoglykämien warnt.

STANDARD: Und bei den therapeutischen Möglichkeiten?

Francesconi: Was die Substanzklassen der SGLT-2-Inhibitoren anbelangt, gibt es groß angelegte Datensätze wie etwa die CWD-real-Studie, die ein sehr gutes Back-up für die klinische Praxis gibt. Sie sind sicherlich für den klinisch praktischen Alltag sehr relevant und bestätigen, dass es auch für Typ-2-Patienten von Vorteil ist, sie mit SGLT-2-Inhibitoren zu behandeln. Das ist für die Praxis schon sehr spannend.

STANDARD: Das gilt vorwiegend für Typ 2 oder auch für Typ 1?

Francesconi: Das gilt jetzt einmal ausschließlich für Typ-2-Diabetes. Ich glaube, rein prinzipiell kann man jetzt schon aus den klinischen Erfahrungen sagen, dass die Anwendung von SGLT 2 auch bei Typ-1-Diabetikern möglich ist. Kleinere Studien zu diesem Thema belegen die positiven Effekte. Allerdings kann bei Typ-1-Diabetes eine Ketoazidose entstehen. Das ist eine Übersäuerung, die akut lebensgefährlich sein kann. Aber deswegen kann man nicht den doch evidenten Vorteil für viele Patienten vom Tisch wischen. Da gilt es einen Kompromiss zu finden, der vom Patienten und vom Behandler eingegangen wird. (Peter Hopfinger, 14.11.2018)