Ein Davidstern im ehemaligen Lager Liebenau.

Foto: Possert

Graz – Es waren die Diskussionen rund um ein geplantes Wasserkraftwerk, die eines der finstersten Kapitel der Stadt aus dem Reich des Vergessens hervorholten. Auf dem Platz, an dem das Kraftwerk gebaut wird, stand nämlich einst das größte NS-Zwangsarbeiterlager von Graz.

Auch tausende ungarische Juden auf ihren Todesmärschen vom "Südwall" ins KZ Mauthausen wurden hier im April 1945 durchgeschleust. Viele von ihnen waren so geschwächt, unterernährt und krank, dass sie nicht mehr weitergehen konnten. Mindestens 34 Menschenwurden von den Nazi-Schergen erschossen. Nach einem Kriegsverbrecherprozess 1947 – der übrigens zu zwei Todesurteilen führte – wurde es dann bald sehr still um diesen Ort des Grauens. Über den Massengräbern wuchsen frisches Gras und Wohnsiedlungen. Bis mit dem Kraftwerksprojekt die Erinnerung einsetzte.

Archäologische Grabungen

Seit 2011 organisiert eine Bürgerinitiative eine jährliche Gedenkveranstaltung und fordert eine gezielte Suche nach den Überresten weiterer ungarisch-jüdischer Opfer. Diese konnte man zwar nicht durchsetzen, allerdings finden die Grabungen im Lagerareal mittlerweile unter archäologischer Begleitung statt.

Dabei kamen neben kleineren Funden und Graffiti von Haftinsassen auch die ehemaligen Lagerstrukturen zum Vorschein. Gemeinsam mit kürzlich gefundenen neuen Dokumenten sind diese Relikte nun in der ersten wissenschaftlichen Ausstellung zum Lager Graz-Liebenau zu sehen, die heute um 18 Uhr im Graz-Museum eröffnet wird. Konzipiert vom Ludwig-Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung unter der Leitung von Barbara Stelzl-Marx zeichnet sie die Geschichte dieses speziellen Ortes nach, an dem unterschiedliche Facetten der NS-Ideologie brutale Gestalt annahmen.

Massaker an ungarischen Juden

Gegründet als Umsiedler-Lager für "Volksdeutsche" diente es während des Krieges als Zwangsarbeiterlager. Tausende Menschen aus ganz Europa mussten damals unter furchtbarsten Bedingungen für die deutsche Kriegswirtschaft schuften, die Grazer Zwangsarbeiter vor allem im "Zweierwerk" der Steyr-Daimler-Puch-Werke in Graz-Thondorf. Kurz vor Kriegsende – als Auschwitz und die anderen Todeslager im Osten schon befreit waren – kam es im Lager Liebenau dann zu einem Massaker an ungarischen Juden. "Lager V" nannten die Nazis diesen Ort, weshalb auch die Ausstellung in fünf große Themencluster gegliedert ist: "Verführt, Verschleppt, Vernichtet, Verurteilt und Vergessen".

"Ein Großteil der Exponate und Abbildungen ist zum ersten Mal öffentlich zu sehen und ermöglicht einen sehr unmittelbaren Einblick", so Barbara Stelzl-Marx. Begleitend zur Ausstellung legen die Zeithistoriker zudem eine illustrierte Publikation mit Hintergrundinformationen zu jedem der fünf Kapitel vor. Neben dieser bis April 2019 zu sehenden Ausstellung plant die Stadt Graz auch die Errichtung eines Kunstwerks, einer Gedenktafel in deutscher, englischer und ungarischer Sprache sowie eine Dauerausstellung vor Ort. (Doris Griesser, 16.11.2018)