Der Gemütszustand von Kühen wirkt sich auf die Milchproduktion aus. Landwirte sind daher gut damit beraten, ihre Kühe zu streicheln. Touristen auf der Alm sollten die Tiere allerdings in Ruhe lassen.

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Nutztiere kommen nicht mit einer Neigung zu menschlicher Gesellschaft auf die Welt: Sie müssen erst daran gewöhnt werden. Das ist umso wichtiger, wenn es sich um Milchkühe handelt, mit denen üblicherweise zweimal am Tag jemand in Kontakt treten muss, um sie zu melken. An der Veterinärmedizinischen Universität Wien befassen sich Forscherinnen im Rahmen eines Projektes, das vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wird, damit, wie man diese Begegnungen angenehmer gestalten kann.

"Früher hat man sich bei Studien zum Tierwohl vor allem darauf konzentriert, negative Emotionen der Tiere zu vermeiden", sagt Stephanie Lürzel vom Institut für Tierhaltung und Tierschutz an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, "aber die Abwesenheit von Angst oder Schmerz allein macht noch kein gutes Leben aus. Wir wollen wissen, wie man Mensch-Tier-Interaktionen für die Tiere möglichst angenehm gestalten kann. Im besten Fall könnten sie sich freuen, wenn der Landwirt in den Stall kommt."

Stephanie Lürzel berichtete bei einem Science Slam über ihre Forschung.
Vetmeduni Vienna

Emotion und Milchproduktion

Davon würde auch der betroffene Landwirt profitieren: Studien haben gezeigt, dass die Gegenwart eines Menschen, vor dem sich die Kühe fürchten, deren Milchproduktion massiv beeinträchtigen kann. Auch von Ferkeln weiß man, dass Angst vor ihrem Betreuer zu reduzierter Gewichtszunahme führen kann.

Aber: Wie macht man sich einer Kuh angenehm? Aus der Verhaltensforschung ist bekannt, dass die Tiere einander häufig lecken, vor allem an Kopf und Hals. Das kommt für Menschen nicht infrage, stattdessen können wir streicheln und freundlich sprechen, und das tun Lürzel und ihre Studentinnen, allerdings unter strikt wissenschaftlichen Bedingungen.

Genüssliches Halsstrecken

So sind nicht nur Dauer und Häufigkeit der Behandlung streng reglementiert, sondern auch die Stellen, an denen Hand angelegt werden darf: In früheren Studien wurde Streicheln am unteren Hals, am Widerrist und am Rumpf ausprobiert, wobei die erste Variante das beste Ergebnis zeitigte.

Doch wie stellt man fest, was eine Kuh mag? "Wir gehen davon aus, dass sie das Streicheln genießen, wenn sie den Hals strecken und oft auch die Ohren hängen lassen", erklärt Lürzel. Weniger augenfällig sind die physiologischen Vorgänge, die sie und ihre Mitarbeiterinnen erfassen, vor allem die Herzfrequenz der Tiere. Die ist aber nicht immer so einfach auszuwerten, da ihr Anstieg durch jede Form der Erregung hervorgerufen wird: Das kann Stress sein, aber auch Vorfreude. Ganz abgesehen davon, dass körperliche Bewegung die Herzfrequenz ebenfalls in die Höhe treibt.

"Wir sind immer noch auf der Suche nach guten Indikatoren für positive Emotionen", sagt Lürzel. Deshalb schaut sich ihre Gruppe derzeit neben dem Halsstrecken und der Ohrposition der Tiere auch an, ob sie den Kontakt zum Menschen suchen und ob sie die Augen offen oder geschlossen haben.

Streicheln und kraulen

"Unsere Untersuchungen und auch die anderer Forscher kommen zu dem Schluss, dass Kühe gern gestreichelt werden, aber es gibt auch einige wenige Studien, die dem widersprechen", sagt Lürzel. Man geht davon aus, dass die Erfahrungen, die die Tiere vor den Versuchen mit Menschen gemacht haben, dabei mitspielen, inwieweit sie den Körperkontakt als angenehm empfinden.

Erste eigene Versuche von Lürzels Gruppe an 28 Jungrindern ergaben, dass viele sich begeistert streicheln ließen, einige gar nicht und wieder andere vor allem an den damit einhergehenden Aktivitäten im Stall interessiert waren: "Die waren gern mittendrin, aber nicht so wegen des Streichelns."

Bei den Rindern, die gern gestreichelt werden, wollen Lürzel und ihre Mitarbeiterinnen herausfinden, ob die näheren Umstände ebenfalls eine Rolle spielen: So streicheln sie entweder nur am Hals oder aber "reaktiv", das heißt, wenn die Tiere bestimmte Körperstellen präsentieren, kraulen sie sie dort. Das Team untersucht auch, ob es Unterschiede gibt, wenn die Kühe sich während der Gewöhnung ans Streicheln frei bewegen können oder währenddessen angebunden sind.

Anhaltende Gewöhnung

In Vorbereitung ist dazu ein Versuch in einem norddeutschen Milchviehbetrieb. Dabei soll erhoben werden, wie anhaltend die Habituation an den Menschen ist: "Zwei Wochen nach der letzten Streichelbehandlung testen wir noch einmal die Reaktion der Kühe, um zu sehen, ob ihre Beziehung zum Menschen anhaltend beeinflusst wurde", sagt Lürzel.

Bisher begleiten die Forscherinnen die Interaktionen mit den Rindern immer mit freundlichem Sprechen. Für nächstes Jahr ist hingegen geplant, den Effekt von Sprache und Berührung nach Möglichkeit auseinanderzudividieren: "Es wird eine Kontrollgruppe geben – eine, mit der nur gesprochen wird, eine, die nur gestreichelt wird, und eine, bei der beides zum Einsatz kommt", führt Lürzel aus. "Wir wollen sehen, inwiefern es die Interaktionen beeinflusst, wenn verschiedene Sinne angesprochen werden. Außerdem sind scheue Tiere in der Praxis oft nur mit der Stimme zu erreichen."

Apropos Praxis: "Die Möglichkeit der Landwirte, positiv auf ihre Kühe einzuwirken, wird oft unterschätzt", ist Lürzel überzeugt, "dabei kann ihr Umgang mit den Tieren physiologische Reaktionen nach sich ziehen, die sich günstig auf deren Gesundheit auswirken." Ein wichtiger Faktor ist dabei, dass die Kühe ihren Betreuer kennen. Abzuraten ist hingegen davon, beim Wandern oder sonst wo fremde Rinder zu streicheln: "Das ist ein typischer Fall von 'Probieren Sie das nicht daheim – oder auf der Alm'", rät Lürzel. (Susanne Strnadl, 18.11.2018)