Bildungsminister Heinz Faßmann hat in der letzten Zeit einige Interviews gegeben, in denen er deutliche Skepsis an den Vorstellungen des Regierungspartners FPÖ, aber auch an der Regierungspolitik als solcher, also auch des türkisen Teils, anmeldete. Da er von Bundeskanzler Sebastian Kurz sozusagen als unabhängiger Experte, aber auf einem türkisen Ticket in die Regierung geholt wurde, stellt sich allmählich die Frage, wie lange Faßmann noch diese distanzierte Haltung einnehmen, aber weiter in der Regierung bleiben kann.

Die auffälligste Distanz zu einer gemeinsamen Maßnahme der Regierung ergab sich bei der Wiedereinführung von Noten in der Volksschule. In einem STANDARD-Interview wurde er gefragt, ob diese Entscheidung nicht viel mehr politisch als wissenschaftlich begründet sei, darauf antwortete Faßmann freimütig: "Es ist eine politische Entscheidung wie vieles, was ich entscheiden muss. Nicht hinter jeder Entscheidung gibt es auch eine wissenschaftliche Fundierung." Deutlicher kann man nicht sagen: Die Noten werden aus ideologischen Gründen wiedereingeführt, und ich habe mich dem halt gebeugt.

In einer anderen ideologischen Schulfrage, nämlich der von der FPÖ geforderten Deutschpflicht in der Pause auf dem Schulhof, gab sich Faßmann beinahe verächtlich: "Wie stellt man sich das vor? Der Klassenlehrer geht wie ein Spitzel in der Pause herum und kontrolliert, wie die Schüler sprechen?" Worauf ihn die FPÖ heftig angriff.

Faßmann sagt selbst, er sei als Universitätsprofessor Demograf mit Expertise in Zuwanderung, nicht Bildungspolitiker. Daher äußerte er sich auch sehr kritisch zur von der FPÖ gegenüber Kanzler Kurz durchgesetzten Ablehnung des UN-Migrationspaktes: Der Migrationspakt hätte wesentliche Dinge nicht definiert und müsse daher weiter verhandelt werden. Aber: Die als Begründung genannte Befürchtung, der Pakt raube Österreich seine Souveränität, "teile ich nicht", sagte er zum STANDARD.

Noch deutlicher: Auf die Behauptung von Innenminister Herbert Kickl, Österreich sei "kein Einwanderungsland", antwortete Faßmann in der Presse, er sei dabei "innerlich zusammengezuckt", denn "selbstverständlich" sei Österreich ein Einwanderungsland. Das lässt sich, wenn man auf die empirischen Fakten blickt, nicht bestreiten (fast zwei Millionen Einwohner mit "Migrationshintergrund" – Anm.). Und: "Es ist nicht meine Aufgabe, die Wissensbestände des Innenministers zu beurteilen".

Deutlicher kann man nicht sagen: Was mein Regierungskollege da redet, ist ideologischer Quatsch.

Faßmann hat noch als Uniprofessor vorgerechnet, dass Österreich bis 2050 jährlich 44.000 Zuwanderer braucht, um die Zahl der Erwerbsfähigen stabil zu halten. Ob Sebastian Kurz das auch so sieht, ist unklar.

Faßmann sagte weiter, aus ihm werde wohl kein Politiker mehr. Das ist sehr ehrlich, aber dann stellt sich, wie gesagt, die Frage, ob und wie lange er eine wirklich unabhängige Politik in dieser ideologisch stark geprägten Regierung machen kann. (Hans Rauscher, 13.11.2018)