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Auch wenn es angesichts der hektischen Meldungen aus London manchmal in den Hintergrund tritt: Die EU steht vor wesentlich größeren Herausforderungen als dem Brexit. Immerhin müssen sich die Staats- und Regierungschefs der 27 verbleibenden Mitglieder bald entscheiden, in welchem Europa sie in die Zukunft gehen wollen. Soll es ein loser Staatenbund sein, der hauptsächlich wirtschaftliche Ziele verfolgt? Eine sich immer tiefer verschränkende Union? Oder doch ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten?

Die EU-Regierungen werden bald Einigkeit finden müssen – und stehen dabei sehr unterschiedlichen Interessen ihrer Bürokraten und Bevölkerungen gegenüber. Das macht der Band The Future of Europe klar, der dieser Tage unter Herausgeberschaft der Politikwissenschafter Michael Kaeding und Johannes Pollak sowie des Generalsekretärs der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik Paul Schmidt erschienen ist.

Sie haben dafür die Blickwinkel aus den – noch – 28 EU-Hauptstädten, aber auch aus Island, Norwegen, der Schweiz und dem Kandidatenland Türkei gesammelt. Die 32 kurzen Aufsätze führen in kompakter Form vor Augen, wie unterschiedlich die Meinungen zu zentralen Themen ausfallen.

Die von allesamt hochrangigen Politologen verfassten Texte demonstrieren aber auch, dass nicht alle Stegreiferwartungen von der realen Politik enttäuscht werden: Wer die Perspektive hat, im Hinterfeld zu landen, ist etwa tatsächlich in der Regel gegen eine EU unterschiedlicher Geschwindigkeiten. Anderes hingegen ist weniger erwartbar: So zeigen die Texte zur Schweiz und Norwegen deutlich, wie sehr sich Politiker in den Nicht-EU-Staaten bemühen müssen, von den Vorteilen der Union zu profitieren, ohne vor den Bürgern den Eindruck allzu großer EU-Nähe zu erwecken.

Auch wenn mancher Text dabei ein wenig akademisch ausfällt, ist der Band in Summe eine zeitgemäße Erinnerung, die großen Zukunftsthemen der EU nicht aus den Augen zu verlieren. (Manuel Escher, 13.11.2018)