Die Charles de Gaulle, der einzige Flugzeugträger der französischen Marine, erhielt Besuch von fast ganz oben.

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Emmanuel Macrons Selbstinszenierung auf der Charles de Gaulle, dem einzigen Flugzeugträger der französischen Marine, war seit langem geplant gewesen. Aber sie kam nun wie gerufen, nachdem Donald Trump Frankreich frontal attackiert hatte. "Emmanuel Macron schlägt die Bildung einer europäischen Armee vor, um sich gegen die USA, China und Russland zu schützen", twitterte der US-Präsident in Verdrehung der Tatsache, dass Macron die USA nur im Zusammenhang mit Hackerattacken genannt hatte.

In den beiden Weltkriegen hätten aber die Deutschen Frankreich angegriffen, nicht die USA, fuhr Trump fort, um zur Besetzung Frankreichs durch die Nazis im Jahr 1940 anzufügen: "In Paris begann man bereits, Deutsch zu lernen, bevor die Amerikaner eingriffen." Zudem wirft er Frankreich vor, nicht genug für das westliche Verteidigungsbündnis zu tun: "Zahl für die Nato oder lass es!", twitterte er an die Adresse Macrons, dem er eine geringe Popularität und hohe Arbeitslosigkeit vorhält. Seinen Rundumschlag per Smartphone beschließt er mit dem Vorwurf, Frankreich besteure US-Weine höher als umgekehrt: Das sei "nicht fair, muss sich ändern".

"Guter Freund"

In Paris verschlug es dem Präsidialamt zuerst die Sprache; denn noch bei den Weltkriegszeremonien am Sonntag hatte Trump Macron einen "guten Freund" genannt. Damit korrigierte sich der selbst, nachdem er Macrons Idee einer europäischen Armee als "sehr beleidigend" für die USA bezeichnet hatte. In Paris schütteln selbst besonnene Geister den Kopf über Trumps Widersprüchlichkeit: Er verlangt zwar von den Europäern höhere Nato-Beiträge, will aber diese Allianz offensichtlich nach amerikanischem Gutdünken dirigieren.

Der Besuch des Flugzeugträgers, auf dem Macron die Nacht verbrachte, war eine implizite Antwort auf die Verbalattacken aus Washington. Macron propagierte dabei die Erhöhung des französischen Verteidigungsetats und kündigte einen Ersatz für den in die Jahre gekommenen Flugzeugträger bis 2040 an. Die Baukosten des Nachfolgers veranschlagen Experten auf fünf Milliarden Euro.

"Wahre europäische Armee"

Indirekt an Trump hatte sich am Dienstag auch Angela Merkel gewandt, als sie im Europaparlament ebenfalls "die Vision einer wahren europäischen Armee" skizzierte. Bisher hatte sich die deutsche Kanzlerin nie für dieses Projekt erwärmen können. Sie machte indes klar, dass es nicht in Konkurrenz zur Nato und auch nicht außerhalb der EU stehen könne.

Diese Sicht teilt Macron nur beschränkt. Der französische Präsident hält die von Berlin forcierte "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit" der EU-Mitglieder in Verteidigungsfragen (Pesco) für einen bloßen Papiertiger; Paris treibt vielmehr jenseits der EU-Instanzen eine operative Interventionstruppe voran, an der Großbritannien auch nach seinem Brexit maßgeblichen Anteil hätte.

Sanft entschlafener Beistandspakt

Allein schon diese Differenzen zwischen Paris und Berlin lassen das Vorhaben einer europäischen Armee als derzeit sehr illusorisch erscheinen. Die Franzosen hatten diese Idee schon 1950, aber vergeblich lanciert. Auch der danach lancierte, in Paris angesiedelte Beistandspakt der "Westeuropäischen Union" (WEU) ist 2011 sanft entschlafen. Neuere europäische Verteidigungsbemühungen, darunter ein "Eurokorps" und eine deutsch-französische Brigade, haben nicht viel mehr Erfolg.

Der französische Ex-Generalstabschef Pierre de Villiers erklärte am Mittwoch, eine Europatruppe müsse so lange eine Utopie bleiben, wie die EU keine gemeinsame Außenpolitik aufweise. Eine Armee sei kein theoretisches Konstrukt, fügte er an: "Man ist vielleicht bereit, für sein Vaterland zu sterben – aber nicht für einen Binnenmarkt."

Klar scheint aber auch, dass Donald Trump mit seinen Schockkommentaren eher dazu beiträgt, die Europäer zusammenzuschweißen. Er darf sicher als der amerikanische Präsident gelten, der am meisten für die Idee einer europäischen Armee getan hat. (Stefan Brändle, 14.11.2018)