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Der Krieg im Jemen hat die Not der Bevölkerung massiv vergrößert. Besonders viele Kinder sind von Gewalt und Nahrungsmangel betroffen.


Foto: Reuters / Fawaz Salman

Es ist beinahe ein Klassiker: Wenn über das Kriegsende gesprochen wird, werden die Kämpfe erst einmal stärker. Es sollen noch Tatsachen auf dem Boden geschaffen werden. So war es auch im Jemen: Wenige Tage nachdem US-Verteidigungsminister James Mattis einen Waffenstillstand innerhalb eines Monats verlangt hatte, wurde Anfang November die Offensive vor Hodeidah wiederaufgenommen.

Auch wenn die Operationen zu Wochenmitte wieder stockten und sogar von einer "informellen Waffenpause" die Rede war: Waren die von einer saudisch-geführten Allianz unterstützten Regierungstruppen bei ihrer Offensive im Juni vor den Außenbezirken Hodeidahs stehen geblieben, so drangen sie diesmal in Richtung Hafen vor. Der einzig verbliebenen, wenngleich immer wieder blockierte Versorgungshafen für den Norden ist unter Kontrolle der Huthi-Rebellen. Sie starteten eine Gegenoffensive, alle Zugänge zum Hafen bis auf einen wurden vermint. Die Wiederaufnahme der Kämpfe forderte hunderte Tote.

Die unterschätzten Emirate

Gegen die Huthis kämpfen in Hodeidah die jemenitischen Amaqaliya-Brigaden, die vor allem von den Vereinigten Arabischen Emiraten un terstützt werden. Die Rolle der Emirate wird von außen wenig wahrgenommen: Alles dreht sich derzeit um Saudi-Arabien und dessen nun angespanntes Verhältnis zu den USA.

Der Fall Jamal Khashoggi – der Mord am saudischen Publizisten im saudischen Konsulat in Istanbul – hat den Wunsch der USA verstärkt, sich von diesem nicht zu gewinnenden Krieg zu distanzieren, dessen viele zivile Tote den Vorwurf von Kriegsverbrechen laut werden lassen. Außerdem nimmt die humanitäre Katastrophe biblische Ausmaße an.

Die Hauptstadt Sanaa kontrollieren die vom Iran unterstützten Huthis seit September 2014. Aber als sie im März 2015 die südliche Hafenstadt Aden einnahmen, stellten die Saudis eine Allianz zu sammen, die den international anerkannten Präsidenten des Jemen, Abd Rabbo Mansur Hadi, wieder einsetzen sollte. US-Präsident Barack Obama steuerte militärische Logistik bei, stoppte aber im Dezember 2016 – nach einem saudischen Angriff auf ein Begräbnis, der 155 Tote forderte – die Lieferung von Präzisionsmunition. Unter Donald Trump bekam Riad wieder alles, was es wollte. Die Einstellung der Betankung saudischer Kampfjets durch die USA am Wochenende ist militärisch insignifikant, nur eine Geste, auch jenen im US-Kongress gegenüber, die fordern, die Beziehungen zu den Saudis zu überdenken.

Man könnte es deshalb auch so sehen: Die Trump-Regierung will ein Ende des Jemen-Kriegs, damit ihre Waffenverkäufe an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate nicht infrage gestellt werden. Für den Versuch der Allianz, die Huthis vorher noch zurückzudrängen, haben die USA Verständnis. Dazu trugen aber auch iranische Medien bei, die Mattis’ Ruf nach einem Waffenstillstand als Sieg des "Widerstands" – der Huthis mit iranischer Unterstützung – feierten.

Befremden löste aber auch ein Gastkommentar Mohammed al-Huthis, des Chefs des Huthi-Revolutionsrates, in der Washington Post vorige Woche aus. Darin ließ er Saudi-Arabien in der Khashoggi-Affäre Belehrungen in Menschenrechtsfragen zuteilwerden. Dabei wäre auch für die Huthis ein Kriegsverbrechertribunal angebracht: Zahlreiche Fälle von willkürlichen Verhaftungen, Folter, Verschwindenlassen von Menschen etc. sind dokumentiert.

Dringlichkeit von Gesprächen

Der Uno-Sonderbeauftragte für den Jemen, der Brite Martin Griffiths, soll nun baldige neue Gespräche organisieren, vielleicht in Schweden, das noch bis Jahres ende im Uno-Sicherheitsrat sitzt. Der letzte Versuch, Delegationen von Huthis und Regierung zumindest zu indirekten Verhandlungen zusammenzubringen, ist Anfang September in Genf gescheitert.

Es gibt vielleicht noch einen Grund, Verhandlungen zu beschleunigen: den schlechten Gesundheitszustand von Präsident Hadi. Auch er genießt nur wenig Anerkennung – aber sein zumindest temporärer verfassungsmäßiger Nachfolger, Vizepräsident Ali Mohsen al-Ahmar, würde alles noch schwieriger machen. Der einstige Supergeneral von Präsident Ali Abdullah Saleh ist bei den Huthis, aber auch im Süden verhasst, was dort den Separatismus nur noch anheizen würde. (Gudrun Harrer, 15.11.2018)

DER STANDARD