Tripolis – Ärzte ohne Grenzen (Medecins Sans Frontieres/MSF) prangern eine unzureichende Bereitschaft in der EU an, im Mittelmeer gerettete Menschen aufzunehmen. "Die Politik der EU mit ihrer Weigerung, gerettete Menschen aufzunehmen, hat zu mehr Toten im Mittelmeer geführt und die humanitäre Krise in Libyen weiter zugespitzt", so Julien Raikman in einer Aussendung der Organisation am Donnerstag.

Raikman ist Einsatzleiter eines Teams von Ärzten ohne Grenzen, das im Hafen der westlibyschen Stadt Misrata an Bord eines Frachtschiffes Flüchtlinge und Migranten behandelt, die zuvor aus Seenot gerettet und nach Libyen zurückgeführt worden waren und sich weigerten, in Libyen an Land zu gehen. 14 von ihnen seien am gestrigen Mittwoch an Land gegangen und in ein Internierungslager in Libyen transferiert worden.

Behandlungen an Bord

"Unter ihnen sind eine Mutter und ihr Baby sowie unbegleitete Minderjährige. Es ist eine Schande, dass Menschen auf der Suche nach Schutz einmal mehr die Hilfe verweigert wird und sie in willkürlicher Gefangenschaft in einem Land ausharren müssen, in dem ihnen Gefahr droht", so Raikman.

Seit Samstag weigern sich laut Berichten mehr als 90 Migranten im Hafen von Misrata von Bord eines Frachtschiffs zu gehen, das sie zuvor aus Seenot gerettet hatte. Das Team von Ärzte ohne Grenzen hat nach eigenen Angaben am Mittwoch zum zweiten Mal medizinische Behandlungen an Bord durchgeführt. Insgesamt seien es damit 60 Behandlungen in drei Tagen.

Misshandlungen durch Menschenhändler

"Unsere Teams haben vor allem Verätzungen durch Benzin behandelt und die Verzweiflung der Menschen gesehen. In der Gruppe sind Menschen, darunter auch Minderjährige, die teilweise ein Jahr oder länger von Menschenhändlern gefangen gehalten und gefoltert worden waren. Ein Patient weigerte sich trotz extrem schlechten Gesundheitszustandes, neuerlich nach Libyen gebracht zu werden und sagte, er würde lieber an Bord des Frachtschiffes sterben als in dieses Land zurückgebracht zu werden – so groß war seine Angst", sagt Raikmann.

Auf ihrem Weg in Richtung Europa kamen in den vergangen Monaten immer weniger Migranten in Booten in Italien an. Die Regierung in Rom ist für ihren Anti-Migrationskurs bekannt und unterstützt die libysche Küstenwache dabei, möglichst viele Migranten auf hoher See wieder zurück an Land zu bringen. (APA, 15.11.2018)