Berlin/Gelsenkirchen – Diesel-Fahrverbote in Deutschland sollen erstmals auch auf einer viel befahrenen Autobahn gelten. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ordnete am Donnerstag eine Fahrverbotszone für Essen an, in die es ausdrücklich auch die Verkehrsschlagader A40 auf dem Stadtgebiet einbezogen hat.

Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) äußerte Kritik an dem Urteil: "Es steht mir nicht zu, die Justiz zu kritisieren", sagte Scheuer der "Bild"-Zeitung (Freitag). "Aber wenn eine Richterin ein Diesel-Fahrverbot für eine Autobahn anordnet, halte ich das für unverhältnismäßig. Das gibt es nirgendwo anders auf der Welt."

Klage der Deutschen Umwelthilfe

Betroffen wären von dem Fahrverbot für ältere Diesel ab dem Sommer 2019 auf dem Autobahn-Abschnitt nicht nur Pendler im Ruhrgebiet sondern auch der Auto-Fernverkehr. Die Richter verpflichteten das Land Nordrhein-Westfalen, entsprechende Regelungen in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Anlass war eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die Organisation kämpft für die Einhaltung des bereits seit 2010 EU-weit gültigen Grenzwerts für das gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid (NO2).

Die Luftbelastung durch den Autobahnverkehr lasse sich vermutlich nur durch Einbeziehung der Strecke in die Umweltzone reduzieren, sagte die Vorsitzende der zuständigen 8. Kammer, Margit Balkenhol. Für Gelsenkirchen ordnete das Gericht ein Fahrverbot für ältere Diesel auf einer Hauptverkehrsstraße an.

Höhere Stickoxid-Richtwert

Die deutsche Regierung will mit einem höheren Stickoxid-Richtwert Diesel-Fahrverbote in Städten vermeiden. Das Kabinett beschloss am Donnerstag eine Gesetzesregelung, wonach Fahrverbote in Städten mit einer Stickoxid-(NOx)-Belastung von unter 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft als unverhältnismäßig gelten. Der Wert ist ein Viertel höher als die von der EU festgelegte Grenze von 40 Mikrogramm.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, dass damit aber keineswegs die EU-Werte geändert würden. Vielmehr sei es wahrscheinlich, dass mit den neuen Förderprogrammen und Nachrüstungen die Emissionen schnell unter die 40 Mikrogramm rutschen könnten, sagte Merkel in Potsdam. Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) betonte: "Mit der Neuregelung wird es interessant sein, Fahrzeuge nachrüsten zu lassen."

Einheitliche Regelung

Ziel ist es, einen bundesweit einheitlichen Umgang mit Fahrverboten zu erreichen. Nach der Neuregelung des Immissionsschutzgesetzes sollen demnach Fahrverbote weder für Autos der neueren Norm Euro-6 noch für solche mit einem Ausstoß unter 270 Milligramm NOx pro Kilometer gelten. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die Fahrverbote schon in mehreren Städten durchgesetzt hat, sprach von einem skandalösen und rechtswidrigen Vorhaben. Gerichte werde dies nicht von Fahrverboten abhalten, da die EU-Grenzwerte bindend seien. Zudem werde man ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland anstoßen. Die DUH argumentiert, das Recht der Europäischen Union (EU) mit der 40-Mikrogramm-Schwelle sei eindeutig. Eine Änderung "ignoriert geltendes Recht und ist letztlich willkürlich" schrieb die Organisation in einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf.

Das Vorhaben sollte eigentlich schon vergangene Woche im Kabinett beschlossen worden. Wegen Uneinigkeit zwischen Umwelt- und Verkehrsministerium über Einzelheiten der Regelung wurde es aber verschoben. Die Bundesregierung verweist darauf, dass ein Gerichtsurteil zwar lokale Fahrverbote möglich gemacht habe – aber mit der Auflage, dass diese "verhältnismäßig" sein müssten. Diese Verhältnismäßigkeit definiere der Gesetzgeber jetzt.

Bundes-Immissionsschutzgesetz

Mit der Änderung des sogenannten Bundes-Immissionsschutzgesetzes setzt die Regierung Beschlüsse des Koalitionsgipfels aus dem Oktober um. Die Spitzen von Union und SPD hatten damals beschlossen, etwa Behördenfahrzeuge und Lieferwagen mit Katalysatoren nachrüsten zu lassen. Zudem sollten Prämien der Hersteller Diesel-Fahrer zum Umstieg auf saubere Autos in Regionen mit besonders hoher Belastung bewegen. Dort soll eine Nachrüstung für bestimmte Autos ebenfalls möglich sein. Volkswagen und Daimler haben auf Druck der Regierung dafür zuletzt zwar Hilfen bis zu 3.000 Euro in Aussicht gestellt, BMW lehnt dies aber wie ausländische Hersteller ab. Zudem wird eine technische Nachrüstung aufgrund von Zulassungsverfahren laut Verkehrsminister Scheuer überhaupt erst ab 2021 möglich sein. Dann könnten die Grenzwerte aber in fast allen Städten wieder unter die kritische Marke gesunken sein. (APA, 15.11.2018)