Graz – Zur Erforschung des magnetischen Schutzschildes der Erde starteten vor drei Jahren vier Satelliten der Nasa-Mission Magnetospheric Multiscale (MMS) ins All. Sie sollen die Magnetosphäre in bisher unerreichter Genauigkeit erforschen und die magnetische Rekonnexion untersuchen. Grazer Forscher haben an der Auswertung der jüngsten Daten mitgewirkt, wie das Institut für Weltraumforschung (IWF) mitteilte. Das IWF war am Bau von drei Instrumenten für die MMS-Mission beteiligt und ist größter nicht-amerikanischer Partner des Projekts.

Wissenschafter wollen den Vorgang der magnetischen Rekonnexion vor allem besser verstehen, weil diese hauptverantwortlich für die Entstehung von Weltraumwetterstürmen ist, die gefährliche Auswirkungen auf den erdnahen Weltraum, die Ionosphäre und sogar terrestrische Versorgungsleitungen haben können. "So massiv die Auswirkungen sind, so klein sind die Strukturen, in denen der Prozess im Weltraum entsteht", sagte IWF-Direktor Wolfgang Baumjohann, Koautor der neuen Studie im Fachblatt "Science". Baumjohann: "MMS verfolgt quasi wie durch ein Mikroskop dieses hochexplosive Ereignis."

Bessere Prognosen

Planeten, die ein eigenes Magnetfeld besitzen, bilden unter der Einwirkung des Sonnenwindes eine Magnetosphäre aus. So auch die Erde. Ihr Magnetfeld wird durch den Sonnenwind auf der sonnenzugewandten Seite stark zusammengedrückt, auf der abgewandten Seite dagegen schweifartig ausgezogen, erläuterte Baumjohann. Dieser Magnetschweif erstreckt sich über mehrere hunderttausend Kilometer ins All und umfasst eine gasförmige Füllung aus geladenen Ionen, Elektronen und neutralen Teilchen. In einem rund 20 bis 25 Erdradien von der Erde entfernt liegenden Bereich können abrupt Magnetfeldänderungen (Rekonnexionen) mit gewaltigen Folgen auftreten. Unter der Mitwirkung der Wissenschafter am IWF wurden nun aktuelle Erkenntnisse über die Elektronendynamik im Magnetosphärenschweif der Erde publiziert.

Ausgelöst werden die Rekonnexionen, wenn sich Magnetfeldlinien im irdischen Magnetschweif berühren. Dabei kommt es zu einem explosiven Austausch von Ladungen, wodurch große Mengen magnetischer Energie in andere Energieformen umgewandelt werden: in Bewegungsenergie, wenn Teilchen beschleunigt werden, oder in thermische Energie, wodurch das umliegende Plasma aufgeheizt wird. Ein Teil der Energie strömt explosionsartig zur Erde und kann dort im Extremfall Stromausfälle verursachen oder auch die Satellitenkommunikation stören. "Wenn wir das Weltraumwetter besser verstehen wollen, um künftig bessere Vorhersagen über seine Auswirkungen machen zu können, müssen wir verstehen, wie es entsteht", sagte Baumjohann.

"Nachtseite" der Magnetosphäre im Blick

Die vier MMS-Satelliten, die das Magnetfeld der Erde untersuchen und neue Erkenntnisse zu den Rekonnexionen bringen sollen, umkreisen in einer stark elliptischen Bahn in einer Entfernung von bis zu 150.000 Kilometern unseren Heimatplaneten. Während die Hightech-Geräte in den Satelliten in einer ersten Phase Daten an der sonnenzugewandten Seite der Magnetosphäre gesammelt haben, beobachten sie seit 2017 den Magnetosphären-Schweif. Die Satelliten fliegen in einem Abstand von weniger als 20 Kilometern zueinander, um an der "Nachtseite" der Magnetosphäre Messungen zu machen. "Wir haben jetzt die Daten der ersten Rekonnexion, die die Satelliten registriert haben, ausgewertet und konnten auch die 3D-Struktur der Elektronendynamik abbilden", so Baumjohann.

Das Grazer IWF war bei der Entwicklung der Mission am Elektronenstrahlinstrument und dem Digital FluxGate-Magnetometer beteiligt, mit denen elektrische und magnetische Felder gemessen werden und wirkt auch bei der Datenauswertung mit. Weiters hat es die Federführung bei der Potential-Regelung der Satelliten (ASPOC) inne. (APA, red, 16.11.2018)