Wann immer Louise Lawler um ein Foto von sich gefragt wird, schickt sie diesen Papagei. Ihre Kunst ist derzeit in der Verbund-Firmenzentrale am Hof ausgestellt.

Foto: Courtesy Louise Lawler und Metro Pictures, New York

Bei den Worten "in den USA ist sie ein Star" scheint sich Louise Lawler innerlich zu verkrampfen. Behaglich ist der 71-jährigen Amerikanerin ihre Berühmtheit sichtlich nicht. Für ein paar Augenblicke wird ihr freundlich-wacher Blick hinter der schwarzen Brille unruhig.

Trotzdem. Lawler ist seit Jahrzehnten eine der wichtigsten Protagonistinnen der Konzeptkunst – ein Status, der nach ihrer Einzelausstellung im Museum of Modern Art in New York vergangenes Jahr erst recht einzementiert ist. Als öffentliche Person will sie sich allerdings nicht begreifen, auch Fotos ihrer Person verweigert sie – aus Prinzip. Die Bedürfnisse der Medien weiß sie dennoch mit Witz zu bedienen. Fragt jemand nach einem Porträt, schickt sie das Bild eines Papageis. Und als 1990 das britische Magazin Artscribe ein Coverfoto wollte, behalf sie sich – mit Erlaubnis der Oscar-Preisträgerin – mit einem Foto Meryl Streeps. "Erkannt zu werden ist vielleicht gar nicht nützlich", schrieb sie darunter.

Eine herzerfrischende Szene in einem Depot: Ein antiker Bacchus scheint ermattet von der Hitze vor einem Ventilator zu sitzen ("Objects", 1984).
Foto: Courtesy Louise Lawler und Metro Pictures, New York/ SAMMLUNG VERBUND, Wien

Verschroben ist das nicht, sondern eine höchst konsequente, auch feministische Haltung. Lawler will sich nicht an der "Mythenbildung" im Kunstbetrieb beteiligen. Dass sie damit möglicherweise ihren kommerziellen Erfolg beschneidet, weil bereitwillige Poser mit der Fahrt auf dem Marketingkarussell ihre Nachfrage steigern, sei ihr bewusst. Genau deshalb mache sie es, sagt die Künstlerin beim Pressetermin ihrer kompakten Ausstellung She’s here in der Wiener Sammlung Verbund. Der Faktor Prominenz sei befremdlich, so Lawler, die seit 18 Jahren kein größeres Interview mehr gab. "Es handelt sich um eine Frage des Fokussierens, und dieses Fokussieren begrenzt die Bedeutung des Werkes für den Betrachter", erläuterte sie einmal ihre Interview-Skepsis. Für Wien entschied sie sich auch, dass ihr Name auf dem Katalog ganz klein geschrieben ist. Was braucht es also, um sich Lawler, die ihr Werk für sich sprechen lässt, anzunähern?

1. Männliche "Genies"

Biografische Informationen zu Lawler sind spärlich gesät: 1947 im Bundesstaat New York geboren, begann sie nach dem Abschluss ihres Kunststudiums 1969 für eine Galerie zu arbeiten. Nicht bei irgendeiner, sondern bei Leo Castelli, dessen Showroom der angesagteste der New Yorker Gesellschaft war. Alle wichtigen Künstler der Gegenwart stellten dort aus. Jackson Pollock. Jasper Johns. Robert Rauschenberg. Roy Lichtenstein. Donald Judd. Nicht zuletzt Andy Warhol. Der Hotspot der Szene mit seinen noch unhinterfragt männlichen "Künstlergenies" ist eine wichtige Station ihres Lebenslaufs. Schließlich wird Lawler später die Mechanismen des Kunstbetriebs zum Thema ihrer Arbeiten machen.

In einer Rahmenwerkstätte traf Louise Lawler auf Cindy Sherman.... in einer ihrer fotografischen Inszenierungen ("CS
#204", 1990)
Foto: Courtesy Louise Lawler und Metro Pictures, New York/ SAMMLUNG VERBUND, Wien

2. Inszenierung

Als Teil der Pictures Generation der 1970er und 1980er hinterfragt Lawler wie Cindy Sherman, Barbara Kruger oder Sherrie Levine die Funktionsweise von Bildern. Sie lichtet Meisterwerke in ihren natürlichen Habitaten – in Museen, Galerien, Auktionshäusern, in Depots oder Wohnungen betuchter Sammler – ab. Hauptdarsteller sind die berühmten Malereien jedoch nicht. Vielmehr wird der Blick auf ihre Inszenierung gelenkt, denn die verleiht Bedeutung. So zeigt sie etwa ein zutiefst bürgerliches privates Ambiente, in dem die Farben eines expressiven Drip-Paintings mit dem teuren französischen Blumenporzellan harmonieren und der Pollock so zum Statussymbol verkommt. Oder das Flaggenbild Jasper Johns, das über einem Kingsize-Bett mit protziger Monogrammbettwäsche zum Fetisch wird.

Auch in der Wohnung des Galeristen Leo Castelli durfte Louise Lawler fotografieren: Über dem Bett hängt ein Bild Ed Ruschas und eines von Roy Liechtenstein ("87, 63,
93/2000", 1993/2000).
Foto: Courtesy Louise Lawler und Metro Pictures, New York/ SAMMLUNG VERBUND, Wien

3. Kontext

Im Museum richtet Lawler den Fokus auf das Display – auf Rahmung, Lichtsetzung, Farbkonzepte und Beschriftungen – also auf all das, was ein Kunstwerk in den Kanon der Kunstgeschichte hievt. Nichts bleibt inszenatorisch dem Zufall überlassen, die Ästhetik wirkt psychologisch, gesellschaftspolitisch, auf längere Sicht auch ökonomisch. Nach Ausstellungsende sind aber, das zeigt sie in ihren oft humorvollen und ästhetisch spannungsvollen Fotografien, auratische Installationen nur noch Material.

4. Markt

Klug spielt Lawler in jüngeren Werken auf die Begierde des Markts und der Galerien nach Monumentalem: Ihre Sujets werden einfach an die Dimensionen des Raumes angepasst, ganz gleich, ob dadurch die Dimensionen verfälscht, die Bilder gestaucht und bis zur Unkenntlichkeit verzerrt werden. Kunst wird passend gemacht, ja in die gewünschte Form gezwungen.

Auch andere unsichtbaren Dynamiken des Betriebs macht sie sichtbar: wer wann und von wem kauft. Wo die Sammlung Verbund ihre stattliche, 27 Werke umfassende, Lawler-Kollektion erstanden hat, verrät sie im Katalog. (Anne Katrin Feßler, 16. 11. 2018)

Warum Louise Lawler von keinem anderen Künstler mehr Werke fotografiert hat als von Warhol, erklärt die Leiterin der Sammlung Verbund, Gabriele Schor, mit einer Anekdote: 1977 sollen beide auf derselben Party gewesen sein, als dem Pop-Artisten die Fotofilmrollen ausgingen. Lawler konnte aushelfen. Er bedankte sich mit einem Poster seiner Kuh, signiert mit "For Louise, Love Andy".
Foto: Courtesy Louise Lawler und Metro Pictures, New York / SAMMLUNG VERBUND, Wien