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Die Kontroverse um 5G ist voll entbrannt.

Foto: Mark Schiefelbein / AP

5G soll das Internetzeitalter noch einmal revolutionieren. Doch wird Deutschland wirklich zur funklochfreien Republik, wo Autos dank des neuen Mobilfunkstandards autonom fahren? Denn zwischen Regierung und Netzbetreibern ist ein heftiger Streit über die Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5G entbrannt.

In einem Brandbrief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) drohen führende Manager von Deutscher Telekom, Vodafone und Telefónica mit Klagen und warnen vor einer "extensiven Ausweitung von Versorgungsauflagen" – also der Pflicht, auch alle ländlichen Regionen mit den teuren 5G-Masten abdecken zu müssen. Die Manager werfen der Politik eine Erwartungshaltung vor, "die ökonomisch in keiner Weise darstellbar und rechtlich nicht haltbar" sei.

Bis Ende dieses Monats will die Bundesnetzagentur festlegen, unter welchen Auflagen im Frühjahr 2019 5G-Frequenzen versteigert werden. Möglicherweise am Freitag, vielleicht erst nächste Woche verschickt die Behörde das Regelwerk an den Beirat – stehen die Bedingungen da schwarz auf weiß drin, dürften wesentliche Änderungen schwer machbar sein. Die Zeit drängt also – für die Netzbetreiber, um die Auflagen niedrig zu halten, und für die Politiker, um den Bürgern und damit ihren Wählern ein umfassendes mobiles Internet verkünden zu können.

Streitpunkt

Das Thema 5G könnte nicht nur zum handfesten Streit zwischen Netzbetreibern und Politik, sondern auch innerhalb der Berliner Regierungskoalition führen. Schon vor längerem wurde Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) mit der Äußerung zitiert, er halte einen flächendeckenden 5G-Ausbau für "unfassbar teuer". Die Haltung von Braun passt aber mehreren Ministern, auch aus der Union, und dem Koalitionspartner SPD gar nicht. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach am Donnerstag von einer "politischen Bankrotterklärung", wenn Braun sich mit einer 5G-Versorgung der Ballungsgebiete zufriedengebe.

"Wir brauchen eine Ausschreibung, die sicherstellt, dass alle Menschen in Deutschland Zugang zu 5G bekommen, unabhängig davon, wo sie wohnen", forderte Klingbeil stellvertretend für die SPD-Spitze. Braun bekam einem Bericht zufolge auch von Unionskollegen Unmut zu spüren: Nach Angaben der "Bild"-Zeitung haben Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) sich bei ihm beschwert und wie die SPD eine flächendeckende 5G-Versorgung gefordert, um einen digitalen Flickenteppich zu vermeiden.

Realismus

Vollversorgung mit 5G? Hinter vorgehaltener Hand heißt es aus der Telekom-Branche, solche Erwartungen aus der Politik seien ein völlig unrealistisches Wunschkonzert. Würde man Vorgaben zu einem flächendeckenden 5G-Ausbau dennoch umsetzen, käme es zudem zu einer "Verspargelung" der Landschaft. Hintergrund: Die leistungsstarken 5G-Masten haben eine geringere Reichweite als 4G-Anlagen, es müssten also deutlich mehr gebaut werden als beim aktuellen 4G-Netz. Außerdem: Privatkunden bräuchten ohnehin kaum 5G, für die meisten Mobilsurfer reiche 4G völlig aus, heißt es aus der Branche.

Aus der Industrie hingegen kommen Forderungen nach einem umfassenden 5G-Netz. Die Technologiewird zum Beispiel für das autonome Fahren gebraucht. Zudem befürchten Mittelständler auf dem Land, ohne flächendeckende Versorgung wirtschaftlich abgehängt zu werden, wenn sie nur ein zweitklassiges Netz haben oder gar weiterhin Funklöcher. In einigen Regionen ist Deutschland noch digitale Diaspora: Dateien lassen sich nicht herunterladen, Unternehmen denken über eine Verlagerung nach, weil lahmes Internet zur Wachstumsbremse wird.

Das 5G-Thema beschäftigte am Donnerstag auch die Bundesregierung bei einer Klausurtagung zum Thema Digitalisierung in Potsdam. Merkel bekannte sich zum Ausbau des mobilen Internets in Deutschland, sagte aber, dass dies "natürlich nicht jetzt für alle 5G umfassen kann."

Der bisherige Plan sieht vor, dass bis Ende 2022 die 5G-Technologie, die auch Funklöcher beim Zugfahren beheben soll, entlang der Autobahnen und an 5.300 Kilometer Bundesstraßen verfügbar sein sollen, nicht aber an Landstraßen. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass es ab 2025 bundesweit einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet geben soll. Zwar werden Milliardensummen auch für den Glasfaserkabelausbau zur Verfügung gestellt, aber es mangelt mitunter weniger am Geld, als an Kapazitäten bei den hierauf spezialisierten Bauunternehmen.

Infrastruktur

Das Kabinett hatte im August den Aufbau eines Sondertopfes "Digitale Infrastruktur" mit einem Startvolumen von zunächst 2,4 Milliarden Euro beschlossen. Damit soll neben dem Breitbandausbau besonders die Digitalisierung tausender Schulen erreicht werden – der Topf soll auch gespeist werden aus den Einnahmen der 5G-Lizenzversteigerung.

Die Mobilfunkriesen gehen nun auf die Barrikaden: Die 5G-Vergabe drohe zu "einem industriepolitischen Desaster zu werden", heißt es in dem Brief, der der dpa vorliegt. Das Schreiben wurde unterzeichnet von den Deutschlandchefs der Deutschen Telekom, Dirk Wössner, von Vodafone, Hannes Ametsreiter, und von Telefónica, Markus Haas. Auch das "Nationale Roaming" ist ihnen ein Dorn im Auge. Hierbei müssten sie ihr Netz Wettbewerbern öffnen, die keine eigenen Antennen haben. Sollten die Auflagen wie von den Netzbetreibern befürchtet beschlossen werden, wären die Vergabebedingungen "klar rechtswidrig".

Aus ihrer Sicht stünde der Wert der Auktion in keinem angemessenen Verhältnis zu den immensen Kosten, die durch die Auflagen verursacht würden. "Gerichtliche Auseinandersetzungen würden voraussichtlich zur Rückabwicklung des gesamten Vergabeverfahrens und damit zu einer massiven Verzögerung bei der Einführung von 5G führen", heißt es in dem Brief. Erstaunlich: Die Firmen, die Deutschland endlich auf die digitale Überholspur bringen wollen, drohen nun auf die Bremse zu treten. Andere Länder sind längst weiter. So soll der 5G-Standard bei Olympia 2020 in Tokio überall verfügbar sein und Autos ohne Fahrer sollen die Gäste transportieren. (APA, 15.11.2018)