Auch wenn vieles digital abgewickelt wird – Versicherungsvermittler stöhnen unter dem Aufwand, auch Verbraucherschützer sind kritisch.

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Zu viel Aufwand für eine unüberschaubare Informationsflut – die anfängliche Skepsis der Versicherungsbranche bezüglich der EU-Vertriebsrichtlinie IDD ist mittlerweile abgeebbt, aber nur teilweise. Zumindest die Assekuranzen haben sich inzwischen mit dem neuen Regelwerk, das seit Anfang Oktober hierzulande anzuwenden ist, angefreundet. Für Gerhard Heine, Leiter des Partnervertriebs der Wiener Städtischen, überwiegt der Nutzen der IDD den erheblichen Aufwand: "Der größte Vorteil ist, dass es zu einem sStandardisierten Beratungs- und Verkaufsprozess kommt. Das ist eindeutig im Kundeninteresse."

Die meisten neuen Regelungen betreffen den Verkaufsprozess samt Kundenberatung und dessen Dokumentation. Zunächst müssen sich Vermittler deklarieren, also als Außendienstmitarbeiter einer Versicherung, als Agent im Auftrag einer oder mehrerer Assekuranzen, als unabhängiger Makler oder Vermögensberater zu erkennen geben. Auch der Verkauf wird durchgetaktet, etwa durch Bedarfsanalysen für Kunden, Produktinfoblätter oder verpflichtende Empfehlungen. Für den Kunden verborgen, aber trotzdem in seinem Interesse, bleiben die verpflichtende Weiterbildung über 15 Stunden pro Jahr für Mitarbeiter mit beratendem Kundenkontakt oder die Neuregelung der Entlohnung für den Vertrieb.

Nicht vollständig umgesetzt

Kritik übt Heine daran, dass die Gewerbeordnung – es liegt ein Gesetzesentwurf vor – nicht gleichzeitig mit Inkrafttreten der IDD in Österreich reformiert wurde. Somit seien für Vermittler etwa die Sanktionen bei Verstößen gegen die neuen Vorschriften derzeit nicht geregelt. Außerdem sieht er auf kleinere Vertriebspartner, darunter auch etliche Einpersonenunternehmen, wegen des höheren Verwaltungsaufwands Probleme zukommen: "Es wird einen gewissen Wandel und Umbruch in der Vermittlerschaft geben."

"Ich glaube, dass der Großteil das hinbekommt", sagt Christoph Berghammer, Obmann des Fachverbands der Versicherungsmakler, über den zusätzlichen Aufwand durch die IDD – räumt aber ein: "100 Prozent werden es nicht schaffen, eine gewisse Marktbereinigung wird es geben." Die Folge sind ihm zufolge höhere Kosten, die von Kunden nicht bezahlt würden. Wer das Handtuch nicht wirft, werde auf Zusammenschlüsse und Spezialisierungen auf Produktgruppen setzen. "In Wirklichkeit verwalten wir uns zu Tode", kritisiert Berghammer.

Auch Vergleichsportale betroffen

In eine ähnliche Kerbe schlägt Reinhold Baudisch, Chef des Vergleichsportals durchblicker.at, das ebenfalls der IDD unterworfen ist. "Die Fülle an Vorschriften für Versicherungen, Vermittler und Vergleichsplattformen "ist eindeutig überbordend", sagt er mit Blick auf die neue Richtlinie und die vor einem halben Jahr in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung DSGVO. Man verbringe signifikant viel Zeit mit der Vorbereitung und der Umsetzung der Anforderungen, was Baudisch als "Ablenkung vom Tagesgeschäft" empfindet. Grundsätzlich kann er aber aus Sicht des Konsumentenschutzes der IDD auch etwas Positives abgewinnen.

Ähnlich stuft Walter Hager vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) die IDD ein. Er sieht einige Verbesserungen beim Konsumentenschutz, etwa durch die verpflichtende Weiterbildung oder die Entlohnung des Vertriebs, wo er einen Trend weg von Abschluss-, hin zu laufenden Provisionen sieht. Auch dass Vermittler nicht mehr als Agent und Makler gleichzeitig tätig werden dürfen, sei im Verbraucherinteresse. "Das sind gute Ansätze", sagt Hager.

Kritisch sieht er jedoch die Vorschriften für Beratungs- und Verkaufsgespräche, die "etwas ausarten" würden. "Das liest sich kein Mensch durch", sagt er über die Informationsflut für Konsumenten bei einem Abschluss. "Da muss man abwarten, wie sich das in der gelebten Praxis entwickelt." (Alexander Hahn, 18.11.2018)