Um mit dem Essen aufhören zu können, muss sich ein Sättigungsgefühl einstellen. Die Kommunikation zwischen Bauch und Hirn ist komplex.

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Das seit langem bekannte Darmhormon Sekretin hat eine neuentdeckte, zusätzliche Funktion: Es aktiviert das energieverbrauchende Braune Fettgewebe, was Sättigung auslöst. Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Technischen Universität München (TUM) ist in Zusammenarbeit mit einem internationalen Team dieser wichtige Schritt gelungen.

"Wir identifizierten völlig überraschend Sekretin als entscheidenden Faktor", berichtet Martin Klingenspor vom Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin. Sekretin ist ein seit langem bekanntes Darmhormon. Bisher ging die Ernährungsmedizin davon aus, dass dieses Peptid als Botenstoff im Wesentlichen gastrointestinale Funktionen erfüllt – wie etwa die Sekretion von Wasser und Bicarbonat aus der Bauchspeicheldrüse anzuregen, sobald der angesäuerte Speisebrei aus dem Magen in den Dünndarm abgegeben wird. Zusätzlich soll Sekretin über die Blutbahn als Botenstoff im Gehirn das Sättigungsgefühl fördern. So weit der Kenntnisstand bis vor kurzem.

Sekretin feuert Energieverbrauch an

Die neue Studie deckte mit molekularbiologischen Untersuchungen auf (Transkriptom-Sequenzierung), dass das Gen für den Sekretinrezeptor auch im Braunen Fettgewebe exprimiert wird. "Stimulierten wir diesen Rezeptor in den Braunen Fettzellen mit Sekretin, konnten wir eine unmittelbare Aktivierung der Zitterfreien Thermogenese beobachten", erklärt Klingenspor. Zitterfreie Thermogenese ist der für Braunes Fett typische Mechanismus der Wärmebildung, der jedoch nicht nur Energie verbraucht.

Die Untersuchungen legen offen, dass Zitterfreie Thermogenese auch die Voraussetzung dafür ist, dass das Sättigungsgefühl im Gehirn einsetzt. Dabei gibt es drei mögliche Kommunikationswege vom Braunen Fett zum Gehirn:

  • ein Anstieg der Temperatur im Gehirn,
  • Nervenverbindungen vom Braunen Fett zum Gehirn oder
  • spezielle Botenstoffe des Braunen Fetts, sogenannte BATokine.

Klingenspor betrachtet die Wärmebildung als die momentan plausibelste Möglichkeit: "Die Thermogenese im Braunen Fett führt zur Erwärmung des Blutes und zu einem leichten Temperaturanstieg im Gehirn, dies aktiviert Neurone, die Sättigung signalisieren.

Die bisher geltende Lehrmeinung, dass Sekretin direkt im Gehirn auf bestimmte Nervenzellen wirkt, damit zu Sättigung führt und das Hungergefühl dämpft, wird durch diese Erkenntnisse revidiert. "Braunes Fettgewebe ist sozusagen wie eine Relaisstation dazwischengeschaltet", fasst Klingenspor zusammen.

Wärmehaushalt involviert

Die neu entdeckte Kommunikationskette zwischen Darm und Hirn beginnt mit der Sekretinfreisetzung beim Essen, der daraus folgenden Aktivierung der Thermogenese im Braunen Fett und mit der Erwärmung im Gehirn, die das Sättigungsgefühl steigert. So verbraucht die nahrungsinduzierte Thermogenese im Braunen Fett Energie und macht satt – beides wichtige Faktoren für die Therapie und Prävention der fast schon weltweiten Epidemie Adipositas.

Wäre Sekretin in diesem Zusammenhang eine Möglichkeit, um gegen Übergewicht anzukämpfen? "Nein", stellt Klingenspor klar. Denn eine chronische Stimulierung der Bauchspeicheldrüse wäre ungünstig. Er sieht allerdings eine Möglichkeit, durch bestimmte Lebensmittel die Sekretinproduktion natürlich anzuregen, "die richtige Vorspeise könnte schneller satt machen und damit die aufgenommene Kalorienmenge reduzieren." Welche Nährstoffe hier infrage kommen würden, sei Gegenstand weiterer Studien. (red, 17.11.2018)