Das Storchennest bringt Tschechiens Premierminister Andrej Babiš erneut in Bedrängnis.

Foto: APA/AFP/Cizek

Prag – Seit zwei Jahren schwelt die Storchennestaffäre in der Tschechischen Republik, nun holt sie Regierungschef Andrej Babiš erneut ein.

Tausende Menschen demonstrierten Donnerstagabend in Prag für Babiš' Rücktritt. Zuvor hatte bereits der von der Opposition kontrollierte Senat den 64-Jährigen aufgefordert, sein Amt niederzulegen, bis die Vorwürfe des Subventionsbetrugs aufgeklärt seien. Babiš schloss seinen Rücktritt am Freitag jedoch kategorisch aus: Er werde niemals zurücktreten, sagte er auf dem Weg nach Brüssel. "Niemals! Alle sollten sich das merken!"

Fördergeld für das Storchennest

Vor zehn Jahren soll Babiš für das Wellness-Resort Čapí Hnízdo (Storchennest) in Mittelböhmen zwei Millionen Euro Fördergelder der EU für Klein- und Mittelbetriebe kassiert haben. Zu diesem Zweck soll das Areal aus Babiš' Agrofert-Holding ausgegliedert worden sein. Laut Babiš gehörte das Storchennest seinen beiden Kindern aus erster Ehe, Andrej junior und Adriana.

Am Dienstag meldete das Nachrichtenportal Seznam, dass Andrej Babiš junior, der Sohn des Premiers, behauptet habe, er sei im Vorjahr im Auftrag seines Vaters entführt und unter der Drohung, andernfalls in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen zu werden, auf die von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim verbracht worden. Von der Krim aus habe er die tschechische Polizei alarmiert und sei dann quer durch die Ukraine zurück zu seiner Mutter in die Schweiz gefahren. Sein Vater habe ihn im Zuge der Storchennestaffäre aus dem Verkehr ziehen wollen.

"Reiner Hyänismus"

Babiš reagierte umgehend und warf den Journalisten, die Babiš junior in der Schweiz befragt hatten vor, die psychische Erkrankung seines Sohnes zu missbrauchen. "Die Journalisten haben meinen Sohn Andrej in seiner Wohnung in der Schweiz überfallen, wo dieser mit seiner Mutter lebt. Sie haben ihm Suggestivfragen gestellt, um das zu bekommen, was sie hören wollten. Das ist reiner Hyänismus. Einen psychisch kranken Menschen heimlich und ohne sein Wissen zu filmen, das ist wirklich ekelhaft", erklärte er am Dienstag am Rande der Libyen-Konferenz in Palermo.

Die Polizei hatte tatsächlich wegen der mutmaßlichen Entführung ermittelt, den Fall jedoch aus Mangel an Beweisen zu den Akten gelegt. Babiš junior soll tatsächlich an Schizophrenie leiden. Auch Präsident Miloš Zeman äußerte Zweifel an der Entführungsgeschichte und bezeichnete diese als "äußerst wilde Verschwörungstheorie". "Meiner Meinung nach haben einige Revolverjournalisten einen psychisch kranken Mann in seiner Schweizer Wohnung angegriffen." Auch der Präsident sprach im Zusammenhang mit dem Vorgehen der Journalisten gegenüber dem Sohn des Premiers von "Hyänismus". In einem Interview sagte Zeman, er werde Babiš erneut mit der Regierungsbildung betrauen, falls dieser durch eine Misstrauensabstimmung gestürzt werde. Er könne als Präsident eine Regierung, die zurückgetreten ist, verfassungskonform monatelang amtieren lassen, bis die "Köpfe kühler" würden.

Die tschechische Polizei erklärte am Freitag, man versuche, mit Babiš junior Kontakt aufzunehmen. "Diese Versuche bleiben jedoch ohne Antwort", sagte Prags Polizeichef Jan Ptáček. Da gegen Babiš junior in der Storchennestaffäre ebenfalls ermittelt werde, könne dieser die Aussage verweigern, sagte der Chef der Prager Staatsanwaltschaft Martin Erazím.

Am Donnerstag postete der Regierungschef noch Fotos seines Sohnes von der Krimreise, um zu belegen, dass keine Entführung vorgelegen war. "Er war dort glücklich", schrieb Babiš.

"Hier habe ich ein paar Fotos von unserem Sohn Andrej von seinem letzten Aufenthalt auf der Krim", schreibt Babiš auf Facebook. "Er war dort glücklich."

Babiš verfügt über ein Vermögen von mehreren Milliarden Euro und gilt als zweitreichster Tscheche. Im Mai 2017 kostete ihn die Affäre bereits das Amt des Finanzministers. Bei der Parlamentswahl im Herbst 2017 wurde Babiš' Ano stärkste Partei im Prager Parlament, seit Dezember ist er Ministerpräsident. Wegen der Storchennestaffäre verlor er in der Vergangenheit bereits seine parlamentarische Immunität. (Michael Vosatka, 16.11.2018)