Schon die alten Griechen beschäftigten sich mit der Suche nach Glück. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 nennt das "Streben nach Glück" als Grundrecht, und die Steigerung des "Bruttonationalglücks" ist heute zum politischen Programm geworden, das die Jagd nach mehr Wirtschaftswachstum ergänzen oder gar ersetzen soll.

Auch die Bachelor-Studenten an der US-Eliteuniversität Yale wollen offenbar wissen, was glücklich macht. Als die Psychologieprofesssorin Laurie Santos zu Jahresanfang einen Kurs über "Psychologie und das gute Leben" anbot, registrierten sich dafür mehr als 1200 Personen, fast ein Viertel aller Studierenden. Die Yale-Studenten gehören zu den Privilegierten ihrer Generation, aber sie fühlen sich oft gestresst, pessimistisch oder gar depressiv.

Laurie Santos' Vortrag am Aspen Institute.
The Aspen Institute

Santos' Botschaft an ihre Zuhörer, der auch als Onlinekurs weltweit verfügbar ist, ist simpel: Ob man glücklich ist oder nicht, ist zur Hälfte angeboren. Ein Zehntel hängt von den Lebensumständen ab: Wohlstand, Gesundheit, familiäre Umgebung. Das ist überraschend wenig, hat aber einen guten Grund.

Denn der Mensch passt sich an, ans Gute wie ans Schlechte. Das Glücksgefühl wegen eines Millionengewinns im Lotto verfliegt nach einigen Monaten, aber ebenso die Verzweiflung, wenn man nach einem Unfall im Rollstuhl sitzt. Glück ist immer relativ.

Tipps für Glück

Die restlichen vierzig Prozent aber lassen sich durch Verhalten beeinflussen, lehrt Santos und folgt damit der Schule der "positiven Psychologie", die auf den Erkenntnissen der US-Psychologen Abraham Maslow und Martin Seligman basiert. Wer glücklich sein will, soll Zeit mit anderen Menschen verbringen – mit Familie und Freunden genauso wie mit Fremden.

Sie sollen versuchen, andere Leute glücklich zu machen, weil das das eigene Glück erhöht. Sie sollen sich auf das Positive im Leben fokussieren und bewusst Dankbarkeit dafür empfinden – zehn Minuten am Tag bewusst an all das denken, was einen glücklich macht.

Bewegung und Schlaf

Sie sollen ihren Alltag so einteilen, dass sie Zeit für Bewegung und Sport haben und genügend schlafen können. Sie sollen sich immer des Augenblicks bewusst sein, dies vielleicht durch Meditation oder Yoga üben, und – vielleicht das Wichtigste – sich genügend Zeit nehmen für die Dinge, die sie gerne tun. Denn Zeit ist wertvoller als Geld.

All das, was heute so gar nicht dem Lebensstil karriereorientierter junger Menschen entspricht, ließ Santos die Studierenden üben und dann darüber berichten. Glück ist wie Fitness, lautet Santos' Botschaft: Wer es haben will, muss bewusst daran arbeiten.

Falsche Einschätzungen

Santos ist nicht die einzige Forscherin, die sich mit dem Glück beschäftigt, und wie das bei Wissenschaftern so ist, entstehen dann meist heftige Kontroversen. Einer der Väter der modernen Glücksforschung ist Daniel Kahneman, der israelische Mitbegründer der Verhaltensökonomie und Wirtschaftsnobelpreisträger.

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Daniel Kahneman, der Vater der Verhaltensökonomie, glaubt nicht mehr an die Suche nach Glück.
Foto: Reuters/Downing

Seine wichtigste Erkenntnis ist die Fehlerhaftigkeit des menschlichen Urteilsvermögens, und die gilt auch für das eigene Glück und Unglück. In den 1990er-Jahren zeigte Kahneman in Experimenten, dass Menschen Erfahrungen im Nachhinein oft falsch einschätzen. Ein unangenehmer medizinischer Eingriff bleibt dann am schlimmsten in Erinnerung, wenn der Schmerz zum Schluss ansteigt. Die Länge und Intensität ist weniger wichtig. Ein wunderschönes Konzert wird für Musikliebhaber durch einen Missklang im Finale verdorben, auch wenn sie es bis dahin genossen haben.

Für Kahneman waren diese nachträglichen Einschätzungen genauso irrational wie die Irrtümer von Geldanlegern, die eine Finanzblase nicht erkennen. Das bedeutet, dass Menschen gar nicht wissen, was sie glücklich macht.

Tägliches Protokoll der Gefühle

Aber wie lässt sich das wahre Glück objektiv messen? Gemeinsam mit dem Ökonomen Alan Krueger entwickelte er die "Day Reconstruction Method" (DRM), bei der Probanden am folgenden Tag niederschreiben, wie glücklich sie während des Vortags waren. Die Ergebnisse waren zum Teil überraschend: Zeit mit Freunden stand ganz oben auf der Skala, ebenso alleine fernsehen, mit dem Partner einkaufen gehen oder für sich selbst zu kochen. Unglücklich macht Zeit mit dem Chef, in die Arbeit pendeln, aber auch die Beschäftigung mit eigenen Kindern.

In einer weiteren Studie mit Wirtschaftsnobelpreisträger Angus Deaton untersuchten sie den Effekt von Geld auf Glück. Höheres Einkommen erhöht das Wohlbefinden, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt, war das Ergebnis. Weithin publiziert wurden die 75.000 Dollar (66.000 Euro) Jahreseinkommen, über dem Glück nicht mehr ansteigt. Aber dieser Betrag hängt ganz vom Umfeld ab und kann höher oder tiefer sein. Und mehr Geld, das zeigte sich auch, macht keinesfalls unglücklicher.

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Die Erinnerungen an eine spannende Reise, etwa zur chinesischen Mauer, tragen mehr zur Lebenszufriedenheit bei als ein Entspannungsurlaub.
Foto: Picturedesk / Tass / Yuri Smityuk

Wetter macht es nicht aus

Und äußere Umstände, wie etwa das Wetter in der Stadt, in der man lebt, sind weitaus weniger wichtig als etwa Gesundheit oder soziale Kontakte, ergab eine weitere Studie. Wer in den sonnigen Süden übersiedelt, dessen Glück wird nur kurzfristig steigen. Denn der Mensch passt sich an die veränderten Umstände im Positiven wie im Negativen an.

Aber machen Kinder wirklich unglücklich? Ist die schöne Erinnerung an eine anstrengende, sogar qualvolle Bergtour wirklich falsch? Macht der entspannte Strandurlaub wirklich glücklicher als eine Fernreise in ein Land, in dem nichts funktioniert hat wie geplant?

Es muss nicht immer Glück sein

Kahneman glaubt das nicht, und hat daher in den letzten Jahren seine eigenen Erkenntnisse verworfen, wie er jüngst in einem Interview mit "Haaretz" erklärte. Denn neben dem kurzfristigen Glück gibt es auch die allgemeine Lebenszufriedenheit. Und zu der tragen persönliche Errungenschaften, auch mühsame, sowie schöne Erinnerungen entscheidend bei – sowie auch Kinder.

"Ich kam zunehmend zur Überzeugung, dass Menschen nicht glücklich sein wollen; sie wollen mit ihrem Leben zufrieden sein", sagte er. Anderswo wird der Unterschied als "Glück im Leben" und "Glück übers Leben" beschrieben.

Deshalb kann es höchst befriedigend sein, spannende Reisen zu unternehmen und die besten Momente in Selfies zu dokumentieren, wie es Millionen von Touristen tun. Bilder und Erinnerungen können glücklicher machen als zehn Minuten Meditation.

Wenn ehrgeizige Studenten im Unialltag leiden, ist das noch keine Garantie für Unglück. Und wer im Sinne von Gerechtigkeit hofft, dass Reiche nicht glücklicher sind, der wird enttäuscht: Mehr Geld zu haben erhöht nämlich die Lebenszufriedenheit – ganz ohne Grenze. (Eric Frey, 18.11.2018)