Der Nestroy ist ein probates Werbemittel.

Foto: APA/HANS PUNZ

Wien – "Ehrungen, das ist, wenn die Gerechtigkeit ihren guten Tag hat", sagte Konrad Adenauer. Der Herr war nie beim Nestroypreis, denn "gerecht" werden Theaterpreise sicher nicht vergeben. War es denn gerecht, dass Bühnenbildner Martin Zehetgruber zwischen 2001 und 2009 gleich fünfmal eine Trophäe für die beste Ausstattung bekommen hat? Vermutlich nicht, aber verdient hatte er sie trotzdem. Wettbewerbe jenseits messbarer Kategorien sind immer vage. Jurys und andere Auswahlberechtigte können Dinge übersehen, auch wirken Trends mitunter verfälschend. Und doch sind Preishäufungen aussagekräftig. Vier Nestroys bisher für Birgit Minichmayr? Alleweil!

Konkurrenz mit Wien

Dass sich dieser Wiener Theaterpreis vorwiegend auf die Arbeit an großen Häusern bezieht, weil diese auf natürlichem Weg mehr Bedeutung generieren und sich erstklassige Künstler leisten können: Dieses Dilemma bleibt. Aber: Der Fokus auf spezifische Kategorien potenziert auch die Aufmerksamkeit für Dinge, die sonst völlig unbeachtet blieben. Gewiss ist auch die Kategorie "beste Bundesländer-Aufführung" eine Hilfskonstruktion, sie steigert letztlich aber die Sichtbarkeit in der Konkurrenz mit den großen Wiener Tankern.

Die alljährlich zeitversetzt live im Fernsehen übertragene Gala erzeugt jedenfalls Resonanz. Sie bündelt die Branche, und ein wenig Glamour schadet einmal im Jahr auch nicht. Der Nestroy ist also ein probates Werbemittel; keine Künstlerin, kein Künstler im deutschsprachigen Raum von Frank Castorf abwärts (na gut, ihm ist es vielleicht wirklich wurscht), der seine Auszeichnung nicht in der Biografie anführt.

Tollpatschigkeit

Als "Oscar für Arme" wurde der Nestroypreis gleich bei seiner ersten Ausgabe anno 2000 von Kritikern verschmäht, initiiert vom damaligen Kulturstadtrat Peter Marboe (ÖVP). Doch seien wir ehrlich. So viel Esprit hatten die Hollywood-Moderationen der letzten Jahre auch nicht. Und wer einmal eine Preisverleihung beim Europäischen Theaterpreis oder bei der deutschen Faust-Gala erlebt hat (beide werden ebenfalls im Fernsehen übertragen), sieht die notorische österreichische Tollpatschigkeit mit anderen Augen.

Eine Kunst wie das Theater, die so deutlich regional verhaftet ist, die nur im Moment und auf keiner Konserve Gültigkeit hat, die ihre Local Heros braucht und auch die fremden Geister aus der Ferne – sie muss sich einmal im Jahr aufraffen zu einer gemeinsamen Zwischenstandsmeldung. Das ändert nichts daran, dass Preisverleihungen grundsätzlich zu den peinlichsten Dingen auf der Welt gehören. Beklemmung und Pannen sind vorprogrammiert. Auch der Nestroypreis ist nicht davor gefeit. Vermutlich auch an diesem Samstagabend nicht. Und trotzdem ist er unverzichtbar. (Margarete A ffenzeller, 17.11.2018)