Punkto Eislaufen, Stocktechnik und Einstellung macht Marco Rossi so schnell keiner etwas vor.

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Der junge Rossi ist bereits ein Reisender in Sachen Eishockey.

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Ottawa – Nach 22 Partien standen exakt 13 Tore und 14 Assists, also 27 Scorerpunkte, zu Buche. Man kann sagen, dass Marco Rossi in Kanada eingeschlagen hat. Die Statistik hat den Feldkircher als besten Rookie, also Neuling, aller drei Nachwuchsligen ausgewiesen. Die Ottawa 67's führen überlegen die OHL-Tabelle an, die OHL (Ontario Hockey League) ist quasi eine U21-Liga. Rossi ist unter 21. Rossi ist 17. Er steht mit Spielern und gegen Spieler auf dem Eis, die zwei, drei, fast vier Jahre älter sind als er.

Marco Rossi ist immer der Jüngste gewesen. Als er stehen konnte, stand er auch auf dem Eis, als er laufen konnte, lief er Eis, und kurz nach dem Flascherl hielt er auch seinen ersten kleinen Eishockeyschläger. Das alles ist nicht von ungefähr gekommen, Marcos Vater Michael spielte dreißig Jahre lang Eishockey, mehrheitlich in Feldkirch, Lustenau und Graz, teils in der obersten, teils in der zweiten Spielklasse. Er hat das Talent des Sohnes früh erkannt und gefördert, hat die Karriere sorgsam geplant. Ottawa ist kein Zufall, so wie Zürich kein Zufall war.

Immer gegen die Großen

Schon als Elfjähriger war Marco, vorerst nur sportlich, ins Ausland übersiedelt, zu Rheintal U15, das war noch relativ nah, nur zwanzig Kilometer von daheim entfernt. Zwei Jahre später ging es nach Zürich, in den Nachwuchs der ZSC Lions. Auch dort hat Rossi, wie sein Vater sagt, "immer zwei, drei, manchmal vier Jahre hochgespielt", soll heißen: mit Älteren, Größeren, Kräftigeren. Der Center hat dennoch Tore, Assists, Anerkennung gesammelt. Mit einer Größe von 1,76 Metern und einem Gewicht von 83 Kilogramm ragt Marco nur körperlich nicht heraus. Sein eisläuferisches Können, die Stocktechnik, sein Spielverständnis und seine Einstellung werden von Kundigen einstimmig gepriesen.

Ein solcher Kundiger ist Rick Nasheim, der ehemalige Teamstürmer, der mit der VEU Feldkirch fünf Meistertitel und 1998 die European Hockey League gewann. Er ist in Rankweil ein Nachbar der Rossis. Vor Jahren hat er, wenn er aus dem Fenster blickte, oft und oft den kleinen Marco beobachtet, wie der manchmal noch spätabends vor dem Haus der Rossis die kleine Scheibe auf dem Schläger führte – und schoss und schoss und schoss. "Man hat da schon gesehen, welches Talent in ihm steckt", sagt Nasheim heute über den jungen Rossi.

Der Schweizer Roger Bader, Österreichs Teamchef, hat Rossi schon in jungen Jahren gefördert und forciert, indem er ihn in Nachwuchsauswahlen einberief. "Für Marco war es wichtig, dass er sich international zeigen konnte", sagt Vater Michael. "Bei großen Turnieren sitzen schließlich die Scouts auf der Tribüne und machen sich ihre Notizen."

Delegation aus Ottawa

Als er in Zürich aufspielte, waren auch nordamerikanische Vereine bereits auf Marco Rossi aufmerksam geworden. Die Ottawa 67's legten sich besonders ins Zeug. Eine Delegation mit General Manager James Boyd reiste eigens nach Zürich, Boyd nahm sich viel Zeit, um Rossi zu beobachten und mit ihm zu reden. Heuer im Sommer stand Marco vor der Wahl, noch ein Jahr in Zürich zu bleiben oder nach Nordamerika zu übersiedeln. Der Vater hätte dem Sohn zur Schweiz geraten und tat es auch. "Aber ich hab Marco entscheiden lassen, Marco hat, was Eishockey angeht, immer das letzte Wort", sagt Michael Rossi. Und Marco wollte nach Kanada.

Seine Berater Patrick Pilloni und Peter Kasper, ehemalige Teamspieler, die sich als Spielermanager etablierten, legten sich ins Zeug, um zu verhindern, dass der junge Rossi im OHL-Auswahlverfahren (Import Draft) von anderen Vereinen, die vor Ottawa an der Reihe waren, gezogen wurde. "In diesem Fall", sagt Marco Rossi, "wäre ich lieber ein Jahr länger in Zürich geblieben." Einerseits hatten sich die 67's schon stark für Rossi engagiert, andererseits hatte sich die Familie den Verein sehr genau angesehen.

Eishockey-narrische Hosts

Auch die Gastfamilie, bei der Marco nun wohnt, hatte sich quasi einem Auswahlverfahren unterzogen. "Sie passt perfekt", sagt Michael Rossi. Der Junior hat im Haus seiner Hosts neben seinem Schlaf- auch ein eigenes Wohn- und ein eigenes Badezimmer. Die Familie ist eishockeynarrisch, auch die zwölfjährige Tochter und der 14-jährige Sohn sind infiziert. Die Rossis in Rankweil stehen nicht nur mit Marco in täglichem Kontakt, sondern erhalten auch von der Family in Ottawa regelmäßig Nachrichten wie: "Marco hat ordentlich gegessen" oder "Es geht Marco gut".

Bei aller Freude über das Avancement, sagt Michael Rossi, sei die Trennung vor allem für ihn, den Vater, auch "brutal gewesen". Jahrelang hatte er Marco fast täglich mit dem Auto eineinhalb Stunden lang nach Zürich gebracht und danach eineinhalb Stunden retour.

Wenig Platz, wenig Zeit

Mag sein, dem Junior, der sich in der neuen Umgebung zurechtfinden musste, hat die Trennung weniger zugesetzt. Rein sportlich gesehen hatte Marco gewisse Anlaufprobleme. Nach sechs Spielen für die 67's standen bloß zwei Assists zu Buche. Seither, seit sich Marco an die kleinere Eisfläche gewöhnt hat, geht es bergauf. "Du musst ständig in Bewegung sein, musst dir selbst Platz schaffen, weil nur sehr wenig Platz vorhanden ist", beschreibt Michael Rossi die Anforderung. "Und du hast im Spiel nur wenig Zeit, musst ständig hellwach sein."

Zuletzt hat Marco Rossi wegen einer Ellbogenverletzung drei Partien versäumt, er sollte bald wieder fit sein. Anfang Dezember will er jedenfalls kurz daheim in Vorarlberg vorbeischauen – auf dem Weg zur U20-WM in Füssen (Deutschland). Er spielte schon mehrmals für Österreich, war 2017 Torschützenkönig der U18-B-WM. Rossis erster Auftritt im A-Team ist nur eine Frage der Zeit.

Gnade des späten Geburtstags

Drüben in Kanada drängt die Zeit nicht wirklich. Dank seines "späten" Geburtstags (im September) hat der junge Vorarlberger Zeit, zu reifen, er kommt erst für den NHL-Draft 2020 infrage. Die National Hockey League ist das erklärte Ziel. "Ich träume nicht von der NHL", sagt Marco Rossi, "ich will in die NHL." (Fritz Neumann, 19.11.2018)