Angekommen.

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London – Und wieder hat die Tennissaison der Herren beim Finale in London mit einem Überraschungssieger geendet. Nach dem Bulgaren Grigor Dimitrow, der diesen Erfolg 2018 nicht bestätigen konnte und gar die Qualifikation für das Masters verpasste, kürte sich am Sonntag mit dem erst 21-jährigen Deutschen Alexander Zverev der erste Next-Gen-Spieler zum Champion.

Der 6:4-6:3-Erfolg im Endspiel über Novak Djokovic war beeindruckend. Während Zverev bei den Grand Slams noch nie ein Semifinale erreicht hat, entzauberte er im Endspiel einen seit Wimbledon fast unschlagbaren Djoker. Der neue Weltranglisten-Erste agierte nicht mit jener Frische wie in den Runden davor. Zverev hingegen, der sich in der Woche in London über die viel zu lange Saison beklagt hatte, zeigte in seinem 77. Saison-Match (58. Sieg) sein bestes Tennis. Mit seiner 58:19-Bilanz beendet er das Jahr übrigens vor Dominic Thiem (54:20) und Djokovic (53:11) auch in dieser Statistik ganz oben.

ATP Tour

Zukunft

Zverev wird seit Jahren als die künftige Nummer eins der Herren gehandelt. Darauf angesprochen, meinte der erste deutsche Masters-Sieg seit Boris Becker vor 23 Jahren nur: "Ich weiß es nicht. Dieses Ding macht mich im Moment blind", sagte er gut gelaunt mit Blick auf die vor ihm stehende Trophäe. "Ich werde alles tun, um an die Spitze zu kommen. Aber auch die anderen Spieler zeigen großartiges Tennis."

Sein bisher größter Titel brachte Zverev 1.300 Punkte und 2,5 Millionen Dollar Preisgeld sowie Platz vier im ATP-Ranking – nur 35 Zähler hinter Roger Federer. Zverev ist der erste Spieler überhaupt, der Djokovic und Federer beim Masters geschlagen hat. Und insgesamt erst der vierte, der Federer und Djokovic hintereinander im Semifinale und Finale des gleichen Events geschlagen hat.

Wachablöse

Noch ist es nicht die große Wachablöse, doch sie kündigt sich zusehends an: Zverev hat nun drei Masters-1000-Titel gewonnen, auch Karen Chatschanow in Paris-Bercy sowie Stefanos Tsitsipas in Toronto haben dieses Jahr erstmals auf höchstem ATP-Level zugeschlagen. "Wir Jungen, wir kommen schon", sagte Zverev mit Bezug auf die beiden 1000er-Champions.

Djokovic anerkennt den Aufstieg Zverevs. "Es gibt eine Menge Ähnlichkeiten, wenn man sich den Verlauf unserer Karrieren ansieht. Ich hoffe, dass er mich überholen kann, das wünsche ich ihm ehrlich. Er hat noch viel Zeit vor sich", sagte Djokovic über den jüngsten Sieger beim Masters seit ihm selbst vor zehn Jahren.

Kuriose Parallelen gibt es auch zur Siegerin der WTA Finals in Singapur, der Ukrainerin Elina Switolina: Auch sie ist bisher nie über ein Major-Viertelfinale hinausgekommen, und auch sie beendet das Jahr als Nummer vier.

Supercoach

Im Team von Zverev sicher eine wichtige Rolle spielt neben seinem Trainer-Vater Alexander der erst kurz vor den US-Open geholte "Supercoach" Ivan Lendl. "Er hat das Match, das ich gegen Novak vor ein paar Tagen gespielt habe, analysiert und mir ein paar Dinge gesagt, die ich ändern muss. Ich habe heute aggressiver gespielt und versucht, den Ball früher zu nehmen", verriet Zverev, der in der Gruppenphase gegen den 14-fachen Grand-Slam-Sieger noch 4:6, 1:6 verloren hatte. Und die Erfahrung Lendls habe ihm auch bei der Aufgabe geholfen bei den unmittelbar aufeinanderfolgenden Spielen gegen Federer und Djokovic.

Die Frage, ob er glaube, dass ihm dieser Titel nun bei den Slams mehr Druck machen oder den Glauben an sich selbst verstärken werde, beantwortete Zverev ausweichend. "Ich glaube, dass ich in den nächsten zwei Wochen einen schönen Urlaub haben werde", sagte der Deutsche lächelnd. Dubai und – wie bei sehr vielen Spielern und Spielerinnen – danach die Malediven stehen auf dem Programm. Und dann beginnt die Vorbereitung auf eine Saison, die noch besser werden soll: "Ich muss mich immer noch in vielen Dingen verbessern. Ich bin immer noch sehr jung." Zum "neuen König des Tennis", wie es die "Bild"-Zeitung schrieb, ist es noch ein Stück. (APA, 19.11.2018)