Das Frauenorchester fordert Ernst Molden. Gemeinsam rocken sie durch zentrumsferne Geschichten. Das ergibt ein super Album – ab heute live im ganzen Land.

Foto: Daniela Matejschek

Er ist so etwas wie unser Willie Nelson. Wenn der texanische Nasenbär mit Cowboyhut einmal nicht mindestens drei Alben pro Jahr raushaut, macht man sich Sorgen. "Unser" Nelson heißt Ernst Molden. Der Wiener Musiker hält nicht viel davon, viel zurückzuhalten. Gerade erst hat er das Album "Hurra" veröffentlicht, schon liegt mit "Dei Schwesda waand" das nächste Werk vor. Parallel dazu tourt er mit dem Blueser Hans Theessink, und spielt mit der Band Dreiviertelblut. Aber der Reihe nach.

Jetzt geht es um das Frauenorchester. So heißt die Band, mit der Molden Dei Schwesda waand eingespielt hat. Ab sofort tourt der Vierer damit durch Österreich und Deutschland; die Live-Präsentation findet am Dienstag, 20.11., im Wiener Stadtsaal statt.

Grimmige Blüten

Das Orchester besteht aus Sibylle Kefer, Marlene Lacherstorfer und Maria Petrova. Das neue Album verfestigt die Einschätzung, dass Molden gerade einen Lauf hat. Hurra war schon ein atmosphärisch dichtes Kleinod, auf dem er US-amerikanisches Liedgut gefühlsecht eingewienert hatte, Dei Schwesda waand setzt noch einmal eines drauf.

Im Wienerischen lauert ja stets die Gefahr, dass seine Interpreten sich dabei zu sehr von dessen Defätismus runterziehen lassen. Das ist auf Textseite durchaus erwünscht. Schließlich blühen in den dunklen Winkeln der Wiener Seele die grimmigsten Blüten. Aber wenn die Musik dabei in den Begräbnismodus kippt und stehend k.o. in Richtung selbstgerechtes Fadgas schlurft, ist es nicht so klass.

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Das Frauenorchester ist diesbezüglich unbedenklich. Dei Schwesda waand kommt eher forsch daher. Die meisten Songs sind zumindest im Midtempo angesiedelt, laufen also nicht Gefahr, Lidschwere zu erzeugen. Das Orchester dreht lieber auf, als sich auf die Bremse zu stellen. Das kommt gut, das fährt. Molden trägt dazu seine Aufzeichnungen aus der Peripherie vor.

Kein Voyeurismus

Die Peripherie ist bei ihm der Stadtrand ebenso wie der gesellschaftliche Rand. Dort findet er die Typen, deren Geschichten er liebt, in denen er sich ergeht – in einer Mischung aus Nostalgie und akkurater Beobachtung. Das könnte in Richtung Elisabeth T. Spira kippen. Doch Molden und die Orchesterdamen verfallen nicht in voyeuristische Belustigung, sondern destillieren aus diesen Settings launige Geschichten und satt Lebensfreude.

Tom Waits winkt von Weitem

Musikalisch wird das hübsch und herausfordernd umgesetzt. Die Band rockt, als Bruder im Geiste grüßt Tom Waits von Weitem. Die Produktion besitzt stellenweise dieselbe Patina, die Joe Henry seinen Alben oft verleiht. Aber dafür muss man sich schon hinsetzen und darüber nachdenken. So angestrengt klingt hier aber nichts. Dieses Album besitzt zu viel Verve, um Zeit für derlei darstellerische Attitüde zu vergeuden. Sollte man sich anhören, sollte man sich anschauen. (Karl Fluch, 19.11.2018)