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Ist die EU noch auf Tuchfühlung mit der Bevölkerung? Bei einer Konferenz in Wien werden die Werte der Gemeinschaft überprüft.

Foto: AP / Francisco Seco

Spät, aber doch noch kümmert sich Österreich während seines Vorsitzes im Rat der Europäischen Union um europäische Werte. Unter Vorsitz von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) startete am Montag in einem Wiener Ringstraßenhotel eine zweitägige Konferenz, an der zahlreiche Politiker aus EU-Ländern und Fachleute teilnahmen.

Schon zum Auftakt war klar, dass es nach den Vorstellungen der österreichischen Gastgeber bei der Konferenz im Wesentlichen um Sicherheitsbelange gehen soll. Gäbe es eine Münze, die den europäischen Werten gewidmet ist, müsste sie für Innenminister Kickl auf der einen Seite die Freiheit abbilden, auf der anderen die Sicherheit. Beides sei in den vergangenen Jahren EU-weit enorm unter Druck geraten.

Mehr antisemitische Aktionen

Konkret nannte Kickl Extremismus und Terrorismus, den politischen Islam und Antisemitismus. In all diesen Bereichen habe es in den vergangenen Jahren auf EU-Ebene "zu wenige proaktive Gegenmaßnahmen" gegeben.

Kickl wollte keine konkreten Zahlen nennen, sagte aber, dass man in Österreich "eine steigende Zahl an antisemitischen Aktionen" verzeichne. Er unterstrich das Bemühen der Bundesregierung um den Schutz der jüdischen Bevölkerung und auch die "Vorreiterrolle" Österreichs beim Schutz jüdischer Einrichtungen. Am Mittwoch findet in Wien eine vom Bundeskanzleramt im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft mitveranstaltete Antisemitismus-Konferenz statt.

Videoüberwachung und Genzkontrollen

Zur Verstärkung bei der Werte-Konferenz am Montag holte sich Kickl den belgischen Vizepremier und Innenminister Jan Jambon von der Flämischen Volksbewegung, der daheim für die Unabhängigkeit Flanderns als eigener Staat kämpft, auf das Pressekonferenzpodium. Auch dieser ist überzeugt davon, dass es zum Schutz europäischer Werte Verbesserungen bei den Sicherheitsstrukturen bedürfe. Belgien habe zuletzt 50 Maßnahmen, darunter großflächige Videoüberwachung und Grenzkontrollen, umgesetzt.

Hans-Georg Engelke (CDU), Staatssekretär im deutschen Innenministerium, sprach lieber von "Spielregeln für die EU". Er berief sich auf den Reformvertrag von Lissabon, in dem das Werteverständnis der EU umfassend festgehalten ist. Ziel sei ein "Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts", zitierte Engelke aus Artikel 2 des Lissabon-Vertrages.

Vom STANDARD darauf angesprochen, dass es dort auch ausdrücklich "ohne Binnengrenzen" heiße, erklärte Engelke, dass er über die derzeitigen Grenzkontrollen in Deutschland und Österreich alles andere als glücklich sei. Er halte sie aber für notwendig und sei überzeugt, dass es sich um vorübergehende Maßnahmen handle, so der frühere Staatsschutzbeamte.

Spannende Inputs

Bei der Konferenz selbst, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, dürfte es durchaus spannende Inputs geben. Eingeladen war unter anderen die deutsche Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ates, die auch Initiatorin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin ist, die für einen liberalen Islam steht.

Vom neokonservativen britischen Autor Douglas Murray waren migrationskritische Thesen, wie er sie zuletzt in seinem Buch "Der Selbstmord Europas" vertrat, zu erwarten. (Michael Simoner, 19.11.2018)