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April 2014: Das Militär schützt die Mülldeponie in Acerra vor Brandstiftern. Mehr als viereinhalb Jahre später werden wohl erneut Soldaten ausrücken müssen.

Foto: REUTERS/Alessandro Bianchi

In Torre del Greco, der viertgrößten Stadt Kampaniens, musste die Feuerwehr am Samstag mitten in der Nacht zu einem Großbrand ausrücken: Unbekannte hatten in dem Stadtpark, wo sich seit Tagen meterhohe Abfallberge türmen, Feuer gelegt. Die Löscharbeiten dauerten Stunden. Aber nicht nur in der Küstenstadt am Fuß des Vesuvs herrscht derzeit wieder einmal Müllnotstand. Auch in der Provinz Caserta ein paar Dutzend Kilometer nördlich von Neapel und besonders in der berüchtigten Terra dei fuochi, im "Land des Feuers", brennt der Müll in den Straßen und in legalen sowie illegalen Deponien.

Nun will die Regierung – nicht zum ersten Mal in den vergangenen Jahren – das Militär nach Kampanien schicken, um die 262 offiziell bekannten Mülldeponien der Region von den Brandstiftern zu schützen. So steht es in einem Dekret, das das Kabinett von Premier Giuseppe Conte am Montag in einer Sondersitzung in Caserta beschlossen hat.

Außerdem werden 160 Millionen Euro für die Entsorgung und Sanierung der vergifteten Böden in den bereits abgebrannten Deponien bereitgestellt. Gelegt werden die Brände in der Regel von verzweifelten Anwohnern – oder von der Camorra.

Camorra mischt beim Sondermüll mit

Die Rückkehr der Müllkrise war eigentlich nur eine Frage der Zeit. In Kampanien herrscht wie auch in ganz Süditalien ein dramatischer Mangel an Müllverbrennungsanlagen. Der einzige Ofen der Region steht in Acerra, und diese Anlage vermag bei weitem nicht den gesamten Abfall zu bewältigen. Der Rest verschwindet zum Teil in Deponien, wobei die Camorra insbesondere bei der Beseitigung des Sondermülls kräftig mitmischt.

Der restliche Abfall wird mit Schiffen ins Ausland transportiert – vorwiegend in die Niederlande, nach Indien und China. Dass China seit einigen Monaten keinen Plastikmüll mehr entgegennimmt, hat den Ausbruch der neuen Müllkrise beschleunigt.

Täglich 120.000 Euro Strafe

Die Situation in Kampanien, aber etwa auch in Rom ist völlig absurd: Die Region bezahlt täglich 120.000 Euro an Strafgeld an die Europäische Union, die nach der riesigen Müllkrise in Neapel im Jahr 2008 gegen Italien ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte. Seit Juli 2015, als die Strafzahlungen verhängt wurden, hat Kampanien bereits 165 Millionen Euro nach Brüssel überwiesen.

Hinzu kommen die Hunderte von Millionen Euro, die der Müllexport kostet. Die einzige Abhilfe bestünde im Bau von modernen Verbrennungsanlagen. Dennoch findet sich in dem Dekret, das die Regierung verabschiedet hat, kein Wort von neuen Anlagen.

"Grillini" gegen Verbrennungsanlagen

Der Grund dafür: Für Italiens Umweltschützer sind die Müllverbrennungsanlagen wegen ihrer Abgase Teufelswerk. Der größere der beiden Regierungspartner, die Protestbewegung Fünf Sterne, hat ihre Wurzeln zum Teil in der Umweltschutzbewegung und ist deshalb strikt gegen den Bau neuer Öfen. Ihr Rezept heißt: Müllvermeidung und hundertprozentige Wiederverwendung. Dass in Kampanien nur 50 Prozent des Abfalls getrennt werden – in Neapel sogar nur 38 Prozent -, blenden die regierenden "Grillini" dabei ebenso aus wie den Umstand, dass die Entsorgung in legalen und illegalen Deponien die Böden und das Grundwasser verseuchen.

Weil Innenminister und Vizepremier Matteo Salvini von der rechtsextremen Lega gleichzeitig mit Nachdruck den Bau von neuen Müllverbrennungsanlagen fordert, ist aus der Müllkrise in den vergangenen Tagen eine kleine Regierungskrise geworden. "In jedem normalen Land wird der Restmüll verbrannt, und dabei entstehen nicht Verwüstung und Vergiftung, sondern Wärme, Elektrizität und Profit", betont Salvini.

Di Maio verteidigt sich

Arbeitsminister und Vizepremier Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung kontert, dass der Bau von Müllverbrennungsanlagen nicht im Koalitionsvertrag stehe. Damit dürfte die Diskussion wohl beendet sein – und der Müll in Kampanien wird weiterhin unter den Teppich gekehrt respektive in illegale Deponien gekarrt werden. Aber dann immerhin unter der Aufsicht des Militärs. (Dominik Straub aus Rom, 20.11.2018)