Fliegt wie ein Vogerl. Beim Sprungverhalten des Leichtgewichts Scott Ransom gilt: lieber langsamer anfahren.

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Sieht gut aus und fährt sich auch so: das Scott Ransom 2019.

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Auf dem neu gestalteten Frommestrail in Serfaus-Fiss-Ladis spielte das Ransom seine Qualitäten voll aus.

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Mit 170 Millimetern Federweg bergauf? Kein Problem dank steilen Sitzwinkels und Zwölffachschaltwerks. Und natürlich: Carbon statt Kondition.

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Das Cockpit des Ransom besticht durch die Einheit aus Lenker und Vorbau. Mit den zahlreichen Bedienelementen lässt sich vom Sattel bis zur Federung alles mit den Fingern einstellen.

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Sauber und aufgeräumt: die Optik des Scott Ransom.

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Fiss – Eines vorweg: Dieses Rad ist ein echter Hingucker. Noch nie ist es mir passiert, abgesehen von mitleidigen Blicken diverser Youngsters auf meine Oldtimer-Bikes, dass ich mit meinem Radl für Aufsehen gesorgt hätte. Beim Scott Ransom war das anders. Denn kundige Parkbesucher wussten, dass die Maschine, mit der ich in Serfaus-Fiss-Ladis unterwegs war, erst 2019 erhältlich sein wird. Und so hatten mein Testkumpan und ich alsbald ein paar neue "Freunde" im Bikepark, die uns nicht mehr von der Seite weichen wollten.

Wir traten die Flucht nach vorn an und starteten den Testtag mit einem Ausflug auf den Frommestrail, hoch über Fiss. Dabei zeigten sich auch gleich die Kletterkünste des Ransom. Obwohl als Enduro mit 170 Millimetern Federweg ausgelegt, kommt das Ransom mit einer All-Mountain-Geometrie daher. Das bedeutet einen steileren Sitzwinkel, was das Bergaufradeln deutlich angenehmer macht. Während ich bei meinem Privat-Enduro stets das Gefühl habe, ein Gutteil meiner Pedalierkraft verpufft in der Federung oder Rahmengeometrie, klettert das neue Scott wie eine Gämse.

Pure Fahrfreude

Das Zwölffachfahrwerk tut dabei natürlich das Seinige, ebenso wie die – ohne Pedale – knapp 14 Kilogramm Gesamtgewicht. Trotz massiver Federung und 2,6 Zoll breiter 29er-Bereifung bringt das Ransom kein Gewicht auf die Waage. Das machte sich auch umgehend auf dem Weg nach unten, auf dem komplett überarbeiteten Frommestrail bemerkbar. Das Ransom hebt schon bei kleinsten Bodenwellen wie von Zauberhand ab.

Dementsprechend jauchzend und johlend ging es denn bergab. Dass man auf einem 29er saß, war kaum zu bemerken. Nur der mächtige Vorderreifen im Blickfeld erinnerte einen immer wieder daran. Sehr positiv ist anzumerken, dass das Ransom unglaublich wendig ist für seine Größe. Selbst schnelle Kurvenfolgen waren mit Leichtigkeit zu nehmen. Doch ähnliches Fahrgefühl auf Trails vermittelte mir auch schon das Scott Spark 29er, das ich im Vorjahr auf den Wienerwald Trails testen durfte.

Federung einstellen für Fortgeschrittene

Einzig die richtige Einstellung der Federung bereitete uns etwas Kopfzerbrechen. Mit dem Twinlock-System, das vom Lenker aus Gabel und Dämpfer mit nur einem Schalter in drei verschiedenen Modi bedient, ist für Unkundige gewöhnungsbedürftig. Wir spielten also wie die kleinen Kinder an den diversen Schaltern und auch Verstelloptionen herum, um das richtige Setup zu finden. Da die Zeit drängte und wir so viele Trails wie möglich fahren und nicht am Bike herumschrauben wollten, beließen wir die Einstellungen irgendwann, auch wenn sie nicht immer optimal waren.

Nach dem Test am Hochgebirgs-Flowtrail ging es in den Bikepark Serfaus-Fiss-Ladis. Denn Scott bewirbt das Ransom als Bike für alle Fälle, auch für die gröbere Park-Shredderei. Das wollte ich gleich am berühmten Hüttendrop testen. Von der bisherigen Performance des Radls vollends überzeugt, startete ich den ersten Versuch. Und dabei zeigte sich auf eindrückliche Weise, dass Gewicht einen enormen Unterschied macht. Ich kenne den Bikepark seit Jahren, aber eben auf meinem treuen Kona Operator, das um die 20 Kilo wiegt. Und so schoss ich beim ersten Hüttendrop-Versuch gleich hoffnungslos übers Ziel hinaus.

Bikepark-tauglich, aber am Trail daheim

Das Ransom ist derart leicht und flugfreudig, dass man lieber etwas Tempo rausnehmen sollte vorm Absprung. Das musste ich erst lernen und testete bis dahin unfreiwillig die Federelemente bei Landungen im Flachen. Selbiges passierte auf fast allen Sprüngen beim ersten Lauf. Gabel und Dämpfer waren mehrmals hörbar an der Schmerzgrenze angelangt, was aber wohl auch auf das mangelnde Feintuning zurückzuführen ist.

Nach ein paar Runden war schnell klar, dass das Ransom zwar durchaus Bikepark-tauglich ist. Doch sein wahres Habitat ist der Trail im freieren Gelände. Dort spielt dieses Bike seine Qualitäten voll aus. Und so durften wir noch den erst 2019 offiziell öffnenden Komperdell Trail in Serfaus unter die Stollen nehmen. Ein einfacher, blauer Trail, gespickt mit Wellen und Northshores, die bei entsprechendem Tempo durchaus Airtime zulassen.

Die Preisfrage

Insgesamt ist ein Testtag zu wenig, um alle Qualitäten des Scott Ransom einer kompletten Überprüfung zu unterziehen. Aber es war durchaus eine Horizonterweiterung für jemanden, der sonst meist auf einem 14 Jahre alten All Mountain unterwegs ist. Mit dem Ransom setzt Scott seine Marke im hart umkämpften Enduro-Markt. Die eierlegende Wollmilchsau, die alles kann, scheint bei den Mountainbikes mittlerweile Realität geworden zu sein.

Allerdings hat diese Vielseitigkeit ihren Preis. Die Edelversion, die uns zum Test angeboten wurde, kommt in Vollcarbon, mit Fox-Fahrwerk (Nude-TR-Dämpfer und Fox-36-Gabel) und Sram-Bremsen sowie Antrieb (X01 Eagle). Laut Auskunft bei der Übergabe kostet dieses Radl rund 7.599 Euro (die ursprünglich im Artikel genannten 9.000 Euro Neupreis basierten auf einem Missverständnis, da diese Preisangabe des Herstellers in Schweizer Franken gemeint war). Dabei stellt sich sofort die Frage, wer sich das leisten kann. Offenbar manch einer, ansonsten würde Scott sie wohl nicht bauen und anbieten. Die Einsteigerversion des Ransom 2019 mit Aluminiumrahmen ist ab 3.000 Euro zu haben. Danach gibt es eine ganze Reihe an höher bepreisten, weil besser ausgestatteten Varianten.

Ein Bike für alle Fälle

Bei Diskussionen zum Bike im Bekanntenkreis war der Preis das Hauptthema. Wobei manche anmerkten, dass man sich mit einem solchen Radl eben den Wechsel zwischen Downhill und All Mountain erspare. Ein weiterer Kritikpunkt, der kam, war, dass es zu "flatterig" sei. Ein Eindruck, den ich nicht bestätigen konnte. Im Gegenteil, ich war überrascht von der Steifigkeit des Rades.

Für Techniknerds ist das Ransom ein Schmankerl. Scott hat sich allerlei einfallen lassen, um diese Zielgruppe zu bedienen. So lässt sich etwa der Lenkwinkel mittels eines sogenannten Flip Chips in der oberen Dämpferaufnahme um 0,8 Grad von flachen 64,2 Grad auf 63,4 Grad verändern. Auch optisch ein Unikum ist die Syncron-Hixon-Carboneinheit aus Lenker und Vorbau. Allerdings kann das auch zum kostspieligen Umbauproblem werden, wenn man sich lieber ein eigenes Cockpit gestalten will.

Old- oder Newschool?

Nach acht Jahren Pause löst nun also 2019 das Ransom bei Scott das Genius LT im Enduro-Segment ab. Wer das nötige Lösegeld, so die wörtliche Übersetzung des Modellnamens, aufbringen kann, wird seine helle Freude an dem Bike haben. Und ja, es vermag tatsächlich sowohl im Bikepark als auch im Gebirge seine Qualitäten auszuspielen. So gesehen ist der Trend zum "Bike für alle Einsatzzwecke" wohl nicht aufzuhalten. Wobei ich persönlich auf ruppigen Downhills gern mehr unter mir spüre als nur 13,2 Kilogramm (offizielles Gewicht ohne Pedale).

Wie stehen Sie zu diesem Trend? Haben Sie noch einen Downhiller und ein All Mountain zu Hause, oder fahren Sie auch schon Enduro? Und was mich persönlich interessieren würde: Gibt es unter der geschätzten Leserschaft Leute, die sich so ein Ransom in der Luxusversion leisten könnten und würden? (Steffen Arora, 20.11.2018)