Italien will die Aquarius wegen illegalen Müllhandels konfiszieren.

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Rom – Italienische Behörden ermitteln gegen Ärzte ohne Grenzen und wollen das Hilfsschiff Aquarius beschlagnahmen, das im Moment im Hafen von Marseille liegt. Der Hilfsorganisation wird vorgeworfen, in insgesamt elf italienischen Häfen Abfall nicht fachgerecht entsorgt zu haben. Die Staatsanwaltschaft der Hafenstadt Catania, wo das Rettungsschiff Aquarius seinen Heimathafen hatte, spricht von einer illegalen Entsorgung von 24.000 Kilogramm Abfall an 44 Zeitpunkten.

Laut Unterlagen, die der italienischen Nachrichtenagentur Ansa vorliegen, soll es sich dabei um medizinischen Abfall und Kleidung von geretteten Personen gehandelt haben, die an einer ansteckenden Krankheit gelitten haben sollen. Der Müll sei wie normaler Haushaltsabfall entsorgt worden, so die Vorwürfe der italienischen Behörden.

Ermittelt wird insgesamt gegen 24 Personen, die sich an Bord der beiden Hilfsschiffe Aquarius und Vos Prudence befunden haben. Letzteres wurde von Ärzte ohne Grenzen zwischen März und Juli 2017 für Rettungseinsätze im zentralen Mittelmeer verwendet. Ihnen wird vorgeworfen, die "illegale Entsorgung von gefährlichem Abfall systematisch geplant und durchgeführt zu haben", wie es in den Unterlagen der Ermittler heißt. Die Staatsanwaltschaft fordert, dass die Bankkonten der Hilfsorganisation in Italien eingefroren werden. Darauf befinden sich rund 460.000 Euro.

NGO: "Böswillig"

Italiens Innenminister Matteo Salvini von der rechten Lega reagierte in einem Tweet auf die Ermittlungen: "Es war richtig von mir, Hilfsschiffe zu blockieren. Damit habe ich nicht nur den Schmuggel von Einwanderern gestoppt, sondern auch, wie es scheint, den Schmuggel von Abfall." Salvini will das Hilfsschiff schon seit längerem aus dem Verkehr ziehen.

Ärzte ohne Grenzen verurteilte die Ermittlungen in einer Presseaussendung scharf: "Dieser jüngste Versuch der italienischen Behörden, die lebensrettenden humanitären Such- und Rettungsarbeiten um jeden Preis einzustellen, ist schlicht böswillig", sagt Karline Kleijer, Notfallkoordinatorin der NGO. Man wolle mit den Behörden kooperieren, weise aber alle Vorwürfe von sich. Die Hilfsorganisation kündigte an, eine Beschwerde vor Gericht einzureichen.

Besatzung "frustriert und traurig"

Die Aquarius – die von den beiden Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterranée betrieben wird – befindet sich noch immer im Hafen von Marseille, nachdem ihr die Flagge Panamas entzogen wurde. Der Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen an Bord, Tom de Kok, erzählt dem STANDARD, dass die Helfer am Schiff frustriert und traurig sind, weil sie nicht helfen können. Er fügt aber hinzu: "Eigentlich geht es nicht wirklich um die Aquarius, Ärzte ohne Grenzen oder SOS Mediterranée. Es geht um die Menschen, die sterben, weil ihnen verweigert wird, vor Sklaverei, Folter oder Vergewaltigung zu fliehen." Er wolle niemanden angreifen, aber man solle nicht fragen, wie es den Leuten an Bord gehe, sondern den Menschen, die auf der Flucht seien.

In der libyschen Hafenstadt Misrata liegt indessen ein Containerschiff vor Anker. An Bord: mehr als 70 Flüchtlinge und Migranten, die sich weigern, an Land zu gehen. In Gesprächen mit der Nachrichtenseite Al Jazeera sprachen die Menschen von Misshandlungen und Menschenhandel in libyschen Aufnahmezentren. Sie würden lieber sterben als dorthin zurückzugehen. Sowohl Ärzte ohne Grenzen als auch das UN-Flüchtlingshilfswerk bieten den Betroffenen humanitäre Hilfe in Form von medizinischer Versorgung oder der Suche nach einer Lösung an.

2000 Tote im Mittelmeer

Libyen gilt nicht als sicherer Ort, um aus Seenot gerettete Menschen an Land zu bringen. Eben solch einen braucht es aber laut Seerecht, um eine Seenotrettung abschließen zu können.

Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) haben heuer mehr als 21.000 Personen die gefährliche Überfahrt über das Zentrale Mittelmeer gewagt, mehr als 2000 Menschen sind dabei gestorben. (Bianca Blei, 20.11.2018)