Dass man die möglichen Auswirkungen von Maßnahmen auf Menschen nach langer Zeit untersuchen könne, sei erstaunlich, meinen Wissenschafter.

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Wien/Roanoke – Kinder aus benachteiligten Familien, die am Beginn ihres Lebens im Rahmen eines Sozialprojekts intensiv unterstützt wurden, profitieren davon offenbar auch vielfach als Erwachsene. In einer Studie im Fachblatt "Nature Communications" berichten Forscher, dass diese vorausschauender planen und sich eher gegen die unfaire Verteilung von Ressourcen wehren – und das auch über 40 Jahre später.

Kontrollierte Studie

Im Zuge des "Abecedarian Project" (ABC) wurden im US-Bundesstaat North Carolina Kinder aus Familien mit prekärem sozioökonomischen Hintergrund im Zeitraum zwischen 1972 bis 1977 in den ersten fünf Jahren ihres Lebens intensiv unterstützt. Insgesamt nahmen 111 Kinder an der Studie teil, die zu den ältesten kontrollierten Studien zur Unterstützung in Erziehung und Bildung zählt. Davon gab es bei 57 Kindern Interventionen, während 54 die Kontrollgruppe bildeten, die das Programm nicht durchlief. Bereits in früheren Untersuchungen zeigte sich, dass erstere im Durchschnitt bei kognitiven Fähigkeiten, wirtschaftlichem- und Bildungserfolg sowie gesundheitlich profitierten, schreiben die Autoren der aktuellen Studie.

Spiele spielen für die Forschung

Das Team um Read Montague vom Virginia Tech Carilion Research Institute (USA) und dem University College in London, zu dem auch der nun am Austrian Institute of Technology (AIT) tätige Andreas Hula zählt, hat für die Studie 78 ehemalige Teilnehmer des ABC-Projekts aufgespürt und zwei in der Wirtschaftsforschung erprobte Spiele spielen lassen, die auf die Bereitschaft zur Einhaltung von Normen und zum planvollen Handeln schließen lassen. Teilweise wurde die Hirnaktivität dabei mittels Magnetresonanztomografie (MRT) aufgezeichnet. Jene heute 39- bis 45-Jährigen, die einst die Unterstützung erhielten, entpuppten sich einerseits als bessere Zukunftsplaner und lehnten andererseits unfaire Aufteilungen von Geld, das im Zuge der Spiele verdient werden konnte, stärker ab.

Forscher: "Sensationellen Datensatz"

Für Hula, der an der Studie noch im Rahmen eines früheren Engagements in London mitgearbeitet hat, und etwa Fragen zum der Untersuchung zugrunde liegenden Verhaltensmodell bearbeitete, handelt es sich hier um einen "sensationellen Datensatz". Dass man nämlich die möglichen Auswirkungen von Maßnahmen auf Menschen nach so langer Zeit untersuchen könne, sei erstaunlich, sagte der Wissenschafter, der sich am AIT mit Modellen zur Verkehrssicherheit auseinandersetzt.

Vorsicht bei der Interpretation

Trotzdem müsse man bei der Interpretation der Ergebnisse aufpassen, schreibt das Forschungsteam: Obwohl vieles darauf hindeute, dass ambitionierte Unterstützung am Lebensbeginn langfristig soziale Entscheidungen positiv beeinflusst, könnten die beobachteten Effekte auch auf andere Faktoren zurückzuführen sein, die nur indirekt mit den Interventionen zusammenhängen. Um das zu klären, brauche es noch weitere Forschung. (APA, 24.11.2018)