Der Tod ist ein fixer Bestandteil unseres Lebens – dies trifft für alle Epochen und alle Erdteile gleichermaßen zu, auch wenn unterschiedliche Umgangsformen festzustellen sind. Der spezifische Umgang der Lebenden mit dem Tod und dem Sterben bietet vielfältige kultur- und sprachwissenschaftliche Ansätze, wird vor allem von archäologischen Fächern erforscht, ist aber ebenfalls von hoher Relevanz für andere geisteswissenschaftliche, medizinische und natur- und lebenswissenschaftliche Gebiete.

Mitten aus dem Leben

In vormodernen Gesellschaften war die Lebenserwartung deutlich geringer als es heute in den Industrieländern der Fall ist. Besonders die Kindersterblichkeit war signifikant höher – Schätzungen zufolge überlebten zum Beispiel im alten Ägypten ein Drittel aller Kinder das 6. Lebensjahr nicht. Innerhalb der Archäologie wird Entdeckungen junger Frauen, die hochschwanger verstorben sind, eine hohe Aussagekraft zugeschrieben, doch zeigen sie in erster Linie und in voller Brutalität damalige Lebenswirklichkeiten und menschliche Tragödien auf. In antiken Gesellschaften wurden Menschen also regelmäßig mitten aus dem Leben gerissen, während wir heutzutage – abgesehen von Unfällen und Krankheiten – in der Regel einen hohen Prozentsatz unserer Mitmenschen erst im Pensionsalter verlieren, der Tod und damit auch das Leben viel besser planbar geworden sind. Es wird als sehr wahrscheinlich angenommen, dass die vielfältigen Rituale und teils komplexen Glaubensvorstellungen rund um den Tod vor allem dazu dienen, die Lücken, die das Sterben in die jeweiligen Gemeinschaften reißt, erträglich zu gestalten. In manchen Gesellschaften, zum Beispiel in Indonesien, "wohnen" die Toten noch eine Zeitlang bei den Lebenden und stehen in engem Kontakt mit ihnen. Laut archäologischen Befunden blieben auch Kinder im Tod häufig in der Nähe ihrer Familie – so finden sich Kinderbestattung aus verschiedenen Zeiten und Kulturräumen gerne in Wohnhäusern.

"Life and Death".
Foto: Wellcome Images (CC-4.0)/WikiCommons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Life_and_death._Oil_painting._Wellcome_V0017612.jpg

Bestattungen als komplexe Spiegelbilder

Jede tote Person wird zwangsläufig von Lebenden bestattet – auch in antiken Kulturen wie dem pharaonischen Ägypten, wo in den höheren sozialen Schichten bereits zu Lebzeiten begonnen wurde, ein Grab anzulegen und die Grabausstattung in Auftrag zu geben. Dennoch fand der echte Bestattungsvorgang dann durch die Hinterbliebenen statt – und das scheint die hohe Varianz ägyptischer Bestattungssitten zu erklären, die wir trotz eines durch Texte überlieferten klaren Regelwerks in Gräbern greifen können. Bestattungen sind generell komplexe Spiegelbilder von Religionsvorstellungen, aber in vieler Hinsicht auch als Hinweise auf soziale Unterschiede, Gendermerkmale, Altersunterschiede und vieles mehr aufzufassen. Ohne Bestattungen könnten wir gerade in der Archäologie essentielles zum Alltagsleben und dem Gesundheitszustand der jeweiligen Bevölkerung gar nicht rekonstruieren. Idealerweise werden deshalb Befunde aus der Grabarchäologie mit solchen aus Siedlungsgrabungen kombiniert – doch nicht jede Epoche bietet diese Bedingungen; oftmals fehlen uns Bestattungen, oder aber die Siedlungen.

Tourismus an Friedhöfen wie beispielsweise der Nekropole von Saqqara in Ägypten ist seit der Antike nachweisbar.
Foto: Julia Budka

Das Geschäft mit dem Tod

Auch heute beschäftigen Bestattungen und Gräber die Menschen schon zu Lebzeiten. In bevölkerungsreichen Ländern wie China sind Preissteigerungen für Grablegungen ebenso ein Thema wie das Engagement von Feng-Shui-Meistern für den idealen Bestattungsplatz. Moderne Friedhöfe sind nicht zu unterschätzende Wirtschaftsfaktoren, das Geschäft mit dem Tod ist aber uralt – schon im pharaonischen Ägypten sind klare Belege für wirtschaftliche Aspekte rund um Totenkult und Friedhöfe belegt. Kaum jemand kann sich heutzutage in katholischen Ländern dem Geschäft mit Kerzen und Blumengestecken beim alljährlichen Allerseelen entziehen. Nicht nur die Pyramiden in Ägypten, sondern auch viele europäische Friedhöfe sind mittlerweile bekannte Tourismusattraktionen – vom Wiener Zentralfriedhof, der als berühmtes "Wahrzeichen" der legendären Morbidität unserer Stadt gilt, zu den jüdischen Friedhöfen in Berlin und Prag, dem Friedhof der Nobelpreisträger in Göttingen oder dem Cementiri de Montjuïc in Barcelona.

Überlegungen zur Unendlichkeit

In vielen Kulturen und Religionen wird der Tod als Übergang zu einer anderen Existenz interpretiert. Nach dem Tod wird etwa durch Wiedergeburt oder ein Leben im Totenreich, Jenseits, Himmel oder Hölle (nur um ein paar der möglichen Optionen zu nennen) die eigentliche Endlichkeit überwunden, quasi ins Unendliche ausgedehnt/verlängert.

Endlichkeit und Unendlichkeit sind zentrale Begriffe in der Mathematik. Der deutsche Mathematiker David Hilbert bezeichnete das "Unendliche" mathematisch als "unentbehrlich", der Mathematiker und Philosoph Hermann Weyl eröffnete einen seiner Vorträge mit dem Satz "Mathematics is the study of the infinite".

Die Unendlichkeit spielt eine so wichtige Rolle, dass 1655 ein eigenes mathematisches Symbol – das Zeichen ∞ – vom englischen Mathematiker John Wallis eingeführt wurde. Die Auffassung, ob etwas Unendliches existieren beziehungsweise wie man es sich vorstellen kann, wird bis heute in der Mathematik und der Philosophie der kontrovers diskutiert. Schon die Griechen beschäftigten sich mit dem Begriff der Unendlichkeit. Aristoteles unterscheidet die aktuale und die potentielle Unendlichkeit – erstere bezeichnet zum Beispiel Mengen, welche unendlich viele Elemente enthalten. Eine Menge, welcher prinzipiell unendlich viele Objekte hinzugefügt werden kann, wird als potentiell unendlich bezeichnet. Die heutige Mengenlehre basiert auf dem "Unendlichkeitsaxiom", welches die Existenz unendlicher Mengen postuliert und klar für den Begriff des aktual Unendlichen steht. Das "Unendlichkeitsaxiom" kann weder wider- noch belegt werden und wird heute von einem Großteil der Mathematiker akzeptiert.

Unendliche Spiegelungen einer Person.
Foto: Public Domain

Wie groß ist unendlich?

Die heutige Mengenlehre wurde von Georg Cantor begründet, welcher Mengen nach ihrer Mächtigkeit oder Kardinalität klassifizierte. Die Mächtigkeit entspricht der Anzahl der Elemente einer Menge – bei endlichen Mengen ist die Definition klar, bei unendlichen Mengen stellt sich jedoch die Frage nach der "Größe der Unendlichkeit". Die "kleinste" unendliche Menge sind die natürlichen Zahlen, das heißt 1,2,3, … – ihre Größe/Mächtigkeit wird mit dem ersten Buchstaben des hebräischen Alphabets א (aleph) bezeichnet. Die Menge der reellen Zahlen, welche die natürlichen Zahlen um die rationalen Zahlen (also Brüche wie etwa ½) und die irrationalen Zahlen (wie zum Beispiel π) erweitert, ist "grösser". Ihre Mächtigkeit wird mit dem Buchstaben c bezeichnet. Damit hat die Mathematik wieder einmal geschafft "Ordnung in die Unendlichkeit" zu bringen – eine Hierarchie der Unendlichkeit zu entwickeln.

Kunst und Unendlichkeit – Installation zur Zahl Pi (π) in der U1 Station am Karlsplatz.
Foto: Public Domain

Was passiert im Unendlichen?

In der modernen Analyse spielt die potentielle Unendlichkeit bei der Frage des Grenzwerts von Folgen eine wichtige Rolle. Hier beschreibt der Limes jene Zahl, welcher eine Folge von Zahlen beliebig nahe kommen kann. Besitzt eine Folge einen Grenzwert, wird diese als konvergent bezeichnet. So konvergiert zum Beispiel die Folge 1/n gegen 0 wenn n gegen Unendlich geht. Verschiedenste Konvergenzkriterien, welche sicher stellen unter welchen Bedingungen eine Folge einen solchen Limes besitzt, sind in den letzten Jahrhunderten entwickelt worden. Mit Hilfe dieser Kriterien kann zum Beispiel gezeigt werden, dass Lösungen von Gleichungen existieren, auch wenn diese nicht mehr explizit angegeben werden können. Diese Lösungen sind die Grenzwerte von unendlichen Folgen – Objekte, welche wir nicht konkret erfasst können, aber trotzdem existieren.

Der Großteil der Mathematiker geht heute pragmatisch mit dem Begriff der Unendlichkeit um, akzeptiert und verwendet die verschiedenen Begrifflichkeiten je nach Belieben und Notwendigkeit. So hat sich der "Glaube" an die Unendlichkeit durchgesetzt – bewiesen ist er bis heute nicht.

Der Tod als universales Thema

Der Tod wirft viele Fragen auf – im eigenen Leben als auch in wissenschaftlicher Hinsicht. Der interdisziplinäre Dialog innerhalb der Jungen Akademie rund um Sprache und Kunst, archäologische Funde, sterbende Bäume und Universen aber auch aktuelle Themen wie Sterbehilfe und philosophisch-mathematische Betrachtungen zur Unendlichkeit versprechen neue Impulse für ein Phänomen, das niemanden kalt lässt. (Julia Budka, Marie-Therese Wolfram, 21.11.2018)