In der Politik ist Prags neuer Oberbürgermeister Zdeněk Hřib ein Newcomer.

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Eigentlich haben Piraten ein Imageproblem – auch die in der Politik. Zwar ist der Begriff "Piratenpartei" zumindest in Europa längst zur internationalen Marke geworden, ihr Logo mit dem zum "P" geblähten Segel hat grenzüberschreitenden Wiedererkennungswert. Doch der einstige Hype um die deutschen Piraten ist längst abgeklungen, die österreichischen sind nie so recht in die Gänge gekommen, und insgesamt könnte der etwas schnoddrige Seeräubernimbus den Parteien, die sich vor allem ihre Internetaffinität auf die wehenden Fahnen schreiben, am Ende vielleicht doch mehr schaden als nützen.

Nicht jedoch in Tschechien. Dort segeln die Piraten derzeit mit günstigem Wind und konnten nun sogar das Rathaus der Hauptstadt Prag entern – mit dem studierten Mediziner Zdeněk Hřib als frischgebackenem Oberbürgermeister, der gerade seine erste Woche im Amt absolviert. Eine wirkliche Überraschung war das nicht. Bereits bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr waren die Piraten mit knapp 10,8 Prozent der Stimmen souverän ins tschechische Abgeordnetenhaus eingezogen. Bei der Kommunalwahl heuer im Oktober erreichten sie in Prag mehr als 17 Prozent. Das reichte für Platz zwei, nur ganz knapp hinter den konservativen Bürgerdemokraten (ODS), die allerdings die schlechteren Koalitionsoptionen hatten.

Demonstrative Sachlichkeit

Zweifellos war der Prager Erfolg auch einer des Spitzenkandidaten Hřib. Im Wahlkampf punktete der bis vor kurzem nahezu unbekannte 37-Jährige mit freundlicher und demonstrativer Sachlichkeit – für viele Wähler, die der häufig untergriffigen Streitereien notorisch bekannter Polit-Größen im Land überdrüssig sind, ein wohltuendes Kontrastprogramm. Der dreifache Familienvater stammt aus der südostmährischen Kleinstadt Slavičín, nur wenige Kilometer von der slowakischen Grenze entfernt. In Prag studierte er Medizin, später wurde er IT-Chef bei der staatlichen Arzneimittelbehörde, vergleichbar etwa mit der österreichischen Medizinmarktaufsicht.

Hřib arbeitete auch zehn Jahre in der Privatwirtschaft, wo er unter anderem im öffentlichen Auftrag die Implementierung elektronischer Arzneirezepte vorbereitete, die in Tschechien seit heuer verpflichtend sind. Im Jänner wurde er Mitglied im Verwaltungsrat der staatlichen Krankenversicherungsanstalt VZP. Bei der Ressortverteilung im Stadtrat hat er den IT-Bereich – neben den Bereichen EU-Fonds und Auslandsbeziehungen – nun zur Chefsache gemacht.

Digitale Metropole

Das passt natürlich zur prinzipiellen Ausrichtung der Piraten, die vor der Wahl eine "digitale Metropole" versprochen haben. Der effektivere Einsatz von Informationstechnologie in der Stadtverwaltung soll mehr Transparenz bringen, weniger Papierkram für Bürger und Unternehmer und kürzere Schlangen auf Ämtern. Gleichzeitig erklärten die Piraten die Wohnungspolitik zu einer ihrer Prioritäten. Die Wohnungspreise – egal ob beim Kauf oder beim Mieten – gehen in Prag derzeit durch die Decke.

Für viele junge Leute und Gewerbetreibende in der tschechischen Hauptstadt waren das wohl starke Wahlmotive. Gleichzeitig bekannten sich die Piraten zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs, etwa durch eine vierte U-Bahn-Linie, und zur Verbesserung des urbanen Klimas, etwa durch das Pflanzen von einer Million Bäumen. Damit sprachen sie auch ehemalige Wähler der Grünen an, die in Tschechien einst Parlaments- und sogar Regierungspartei waren, seit einigen Jahren aber weitgehend erfolglos bleiben.

Systemheiler

Durch die Bildung einer Koalition mit einer Bürgerinitiative und einem konservativen Parteienbündnis ist es Hřib nun gelungen, die liberal-populistische Regierungspartei Ano von Premier Andrej Babiš nach vier Jahren wieder von der Spitze des Prager Rathauses zu vertreiben. Auch die ODS, die bei der Kommunalwahl 0,8 Prozentpunkte vor den Piraten auf Platz eins landete, ging am Ende leer aus. "Ich heile keine Menschen, ich verbessere Systeme", beschrieb der Mediziner Hřib einmal die große Klammer über seine bisherigen Jobs. Die Prager Stadtpolitik, die in der Vergangenheit von mehreren Korruptionsskandalen erschüttert wurde, wird wohl seine vorerst größte Herausforderung. (Gerald Schubert, 20.11.2018)