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Nancy Pelosi sitzt seit 1987 im US-Repräsentantenhaus.

Foto: Reuters/Gripas

Möglicherweise denkt sich Nancy Pelosi dieser Tage öfter als gewöhnlich in ihre Kindheitstage in Baltimore zurück. In der US-Ostküsten-Stadt, genauer: in deren "Little Italy", wuchs die heute 78-Jährige auf. Und von dem Backsteinbau aus, in dem die achtköpfige Familie wohnte, teilte und herrschte ihr Vater Thomas D'Alesandro acht Jahre lang als Bürgermeister der Stadt.

Gut möglich, dass die kleine Nancy tatsächlich bei vielen der Deals und Kompromisse, die der italoamerikanische Patriarch den notorisch verkrachten Demokraten in der Hafenstadt aufzwang, mit am Verhandlungstisch saß. Denn genau wie der 1987 verstorbene Vater gilt auch die Tochter als beinharte Verhandlerin, die in den eigenen Reihen für Disziplin sorgt, meisterhaft Pakte schmiedet, die Parteiinteressen durchsetzt – und dafür ebenso geschätzt wie gehasst wird.

Lange Zeit galt sie als logische, als einzige Kandidatin für den derzeitigen Spitzenposten der US-Demokraten, jenen des Sprechers im Repräsentantenhaus, in dem ihre Partei seit der Kongresswahl Anfang November wieder die Mehrheit innehat.

Während Thomas D'Alesandro schließlich über einen Korruptionsskandal stolperte, weht Nancy Pelosi, die seit 31 Jahren ihren Wahlkreis aus dem liberalen Nordkalifornien im fernen Washington vertritt und seit 2003 die demokratische Fraktion führt, nun ein ungewohnt scharfer Wind aus den eigenen Reihen entgegen.

Als Urgestein stehe sie nicht für die versprochene Veränderung, moniert so mancher Demokrat. Und mit ihren 78 Jahren nicht für die angekündigte Verjüngung. Überdies sind Pelosis Beliebtheitswerte derart im Keller, dass viele Demokraten fürchten, sie sei kein massenwirksamer Antipode zum ebenso wenig populären US-Präsidenten Donald Trump.

Ausdauer und Beharrlichkeit

Dabei, so attestieren Unterstützer, legte die studierte Politologin zeit ihres politischen Lebens einen geradezu vorbildhaft langen Atem an den Tag. Etwa indem sie auch schon einmal einen acht Stunden dauernden Redemarathon ohne Pause und ohne Essen aufs Parkett legte, um für ein Einwanderungsgesetz zu kämpfen. Dass Barack Obamas Gesundheitsreform nach allem Gezerre doch noch verabschiedet wurde, wird unisono Pelosis Bestemm zugeschrieben.

Und doch haben am Montag 16 demokratische Abgeordnete, darunter viele Neulinge im "House", die aus weniger liberalen Landstrichen als jenem Pelosis stammen, Widerstand gegen die Politveteranin angekündigt. Die Prominentesten darunter sind Tim Ryan aus Ohio, der sich schon 2016 anschickte, auf Pelosis Sessel an der Fraktionsspitze zu rücken, und Seth Moulton aus Massachusetts, ein langjähriger Kritiker Pelosis, der seinerseits als Personalreserve für die Präsidentschaftswahl 2020 gehandelt wird.

Die Unterschrift von Marcia Fudge findet sich in der Epistel der Rebellen dagegen ebenso wenig wie jene von fünf weiteren Abgeordneten, die sich gegen Pelosi aussprachen. Die Afroamerikanerin Fudge leitete von 2013 bis 2015 den Congressional Black Caucus und ist bisher die einzige Demokratin, die direkt die Konfrontation mit Pelosi suchte. Ob sie bei der Vorwahl am 28. November tatsächlich kandidiert, ließ sie offen.

Trump, für dessen Republikaner die streitbare Wahlkalifornierin und Multimillionärin seit Jahr und Tag als Hassfigur dient, ließ Pelosi jedenfalls bereits ein vergiftetes Lob angedeihen. Notfalls würden seine Republikaner "ein paar Stimmen drauflegen", um der Politveteranin ein Dacapo zu ermöglichen. Der bei den Wahlen jüngst abgestrafte Präsident, so viel steht fest, will Pelosi nicht als Feindbild verlieren.

Aufregung um Ivanka Trump

Dem Präsidenten selbst erwächst dieser Tage aus den Machenschaften seiner Tochter aber auch selbst ein potenziell folgenschweres Problem. Ivanka Trump, die in der Regierung ihres Vaters als Beraterin fungiert, hat einem Bericht zufolge hunderte dienstliche E-Mails von einem privaten E-Mail-Konto aus verschickt und damit in vielen Fällen wohl gegen Vorgaben des Weißen Hauses verstoßen. Dies berichtete die "Washington Post" am Montag.

Trump hatte im Präsidentschaftswahlkampf 2016 Hillary Clinton die Nutzung eines privaten Mail-Kontos für dienstliche Belange in höchst angriffslustiger Weise vorgehalten. Ein demokratischer Abgeordneter hat bereits eine Untersuchung gefordert. (Florian Niederndorfer, 21.11.2018)