Abby in Wien-Liesing: An der Ketzergasse hat auf einmal ein gepflegtes Restaurant eröffnet.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Beef Bulgogi mit Rotkraut-Coleslaw

Foto: Gerhard Wasserbauer

Vor 28 Jahren, als 18-Jähriger, hat Abdullah Gencer bei seinem Landsmann Attila Dogudan angeheuert. Die vergangenen 15 Jahre war er Küchenchef in der Do-&-Co-Catering-Division des austrotürkischen Großunternehmers, kochte bei Formel-1-Rennen in Schanghai und Japan ebenso wie bei diversen Champions-League-Finals. Sein jüngerer Bruder Ibrahim war fünf Jahre in der Küche des Flagship-Outlets des Gastronomiekonzerns im Wiener Haas-Haus zugange. Seit ein paar Wochen haben die beiden nun ihr eigenes Restaurant in Wien-Liesing, ein weiteres wurde, wenn alles gutgegangen ist, nach Redaktionsschluss anstelle des früheren Kiang auf der Landstraßer Hauptstraße eröffnet. Punkto Ehrgeiz stehen die Brüder ihrem früheren Chef offenbar in nichts nach.

Einstweilen geht es um den Standort in Liesing, wo sich zwischen Pizza Mann und Tankstellen-McDonald's kaum noch gepflegte Restaurants finden lassen. Dementsprechend überrascht ist man als Passant, in einer abends eher unwirtlich anmutenden Gegend plötzlich ein gepflegtes Restaurant zu entdecken – mit großen Fenstern zur Straße, heimeliger Beleuchtung, massiven Eichentischen und gut gepolsterten Raulederstühlen. Ein Blick auf die Speisekarte stellt klar, dass sich die Do-&-Co-DNA tatsächlich tief in das Küchenverständnis der Brüder eingefressen hat.

Die gut abgelegenen Haas-Haus-Klassiker von Kalbsbutterschnitzel bis Chicken-Wok, von den Crispy Prawns bis zum gebackenen Ei mit Trüffel-Spinat sind allesamt vertreten. Als Innovator der Gastronomie wird man damit keinen Preis gewinnen, die kulinarische Wüstenei der südwestlichen Vorstädte aber darf sich allemal freuen. Nicht zuletzt auch, weil die Preispolitik natürlich ungleich humaner ist als beim Vorbild am Stephansplatz.

Das wachsweiche panierte Ei etwa kommt auch im Abby mit knusprig frittierten Zündholzkartoffeln zu Tisch, das Bett aus Cremespinat ist wie am Stephansplatz auf beinah verträgliche Weise mit Trüffelöl befleckt, das Ei unter der knusprigen Hülle auf den Punkt getroffen – nur halt um sieben Euro günstiger als das Vorbild. Okay, dafür schaut man auch nicht auf den Stephansdom, sondern dem Nachbarn auf der anderen Seite der Ketzergasse in die Wohnung.

Knusperrollen

Beim Carpaccio mit frischem Soja-Limetten-Dressing und Sojasprossen wirkt das dünn geschnittene Rindsfilet eventuell ein bisserl wässrig, das kann einem im Do & Co aber auch passieren. Frühlingsrollen vom Hendl sind mit Panko paniert, extrem knusprig, die Fülle mit Shiitakepilzen ist animierend gewürzt und überraschend saftig, passt. Sakura-Salat mit Karotten, Rettich und ein paar extrajungen Salatblättern hat ein köstliches Dressing abbekommen, im Vergleich zum gleichnamigen Salat der Ex-Do-&-Co-Kollegen vom Mochi stinkt er jedoch ein bissl ab – vielleicht ist es aber auch so, dass ein sich wild windendes Umami-Topping aus Bonitoflocken wie in der Praterstraße für das suburbane Publikum hier draußen schlicht zu exotisch wäre.

Die Kalbsbutterschnitzel mit tadellosem Erdäpfelpüree und – nicht gerade klassischer, weinduftiger – Oberssauce sind wunderbar saftig und zart, die Röstzwiebeln extrem knusprig und süß. Beef Bulgogi mit Rotkraut-Coleslaw (siehe Bild) kommt da nicht mit: Das Fleisch ist zart, aber gar schüchtern gewürzt, der Burger-Bun, auf dem es drapiert ist, wirkt so essbar wie aufgeweichter Karton, und der Krautsalat scheint außer Mayo gar keine Würze mit auf den Weg bekommen zu haben. Wer derlei Hoppalas umschifft, wird hier, weit, weit draußen, mit ziemlich gut nachempfundenen Erinnerungen an den Stephansplatz versorgt.(Severin Corti, RONDO, 23.11.2018)

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