Sexueller Missbrauch, in der Kindheit erlittene Traumata, eine dysfunktionale Familie mit einem Schwerkriminellen als Familienoberhaupt. Der schwedische, 2004 verstorbene Autor Stieg Larsson hat seiner Romanfigur Lisbeth Salander schweren biografischen Ballast mit auf den Weg gegeben. Als eine Art erwachsene Pippi Langstrumpf im Gothic Look steht die hoch talentierte Computerhackerin mit ausgeprägten Rachegelüsten im Zentrum von Larssons posthum immens erfolgreicher Millennium-Trilogie.

Brilliert in "Verschwörung" als Lisbeth Salander: Claire Foy. Die britische Schauspielerin löst Noomi Rapace und Rooney Mara in der Rolle als Computerhackerin im Gothic Look ab.
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Den Dämonen der Vergangenheit weist auch David Lagercrantz in seiner 2015 in Buchform erschienener Fortsetzung Verschwörung (The Girl in the Spider's Web) entscheidende Rollen zu. Und sie geben sich schon am Beginn der aktuellen Verfilmung in einer Rückblende ein Stelldichein: Eine von Salander in der Kindheitshölle beim Vater zurückgelassene Zwillingsschwester wird zum Angelpunkt einer Handlung, die sich um ein Waffenkontrollsystem mit Weltzerstörungspotenzial dreht. Die Hackerin wird angeheuert, ein Programm namens Firefall, mit dem sich Codes von Nuklearwaffen knacken lassen, von der US-amerikanischen NSA-Behörde im Auftrag des Entwicklers zurückzuholen und zu zerstören.

James Bond lässt grüßen

The Girl in the Spider's Web folgt in Aspekten wie der genüsslichen Rache an kriminellen Männern der etablierten Mechanik der Millennium-Reihe, bläst aber die Verschwörung auf globale Ausmaße auf. Wer sich an James Bond erinnert fühlt, liegt nicht falsch.

Trailer zu "Verschwörung".
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Regisseur Fede Álvarez stellt vor diesem Hintergrund keine schlechte Wahl für den nunmehr zweiten Film des US-Reboots der Larsson-Verfilmungen dar. Nach dem gefeierten Remake von Sam Raimis Splatterklassiker Evil Dead und dem konzisen Horror von Don't Breathe war von dem uruguayischen Filmemacher zu erwarten, dass er auf kürzestem Weg zur Sache kommen würde. Dieses Versprechen wird zumindest teilweise eingelöst. Über weite Strecken schnurrt die Handlung wie in einem der besseren Bond-Filme dahin. Die formidable Hauptdarstellerin Claire Foy geht als Lisbeth Salander mit knappen Gesten und beeindruckendem physischen Einsatz ans Werk. Ihr ökonomisches Spiel macht die Nähe von Verletzlichkeit und Gewaltausbruch fühlbar.

Slicke Klischees

Dazwischen kommen der Tour de Force der Heldin immer wieder slicke Klischees der Hausmarke Skandinavien-Krimis in die Quere. Spätestens beim Anblick weiter Schneefelder stellt sich der Eindruck auf Hochglanz getrimmter Fernsehkost ein. Auch die psychologisierenden Rückblenden helfen nicht. Im Gegenteil.

Dass die Hauptfigur fesselnder ist als der Plot, wurde schon der Millennium-Trilogie attestiert. Und am Ende von Verschwörung ist manches aus der Vergangenheit wieder aufgetauchte Problem gewaltsam gelöst. Dennoch: An Intrigen für die Fortsetzung eines Erfolgsmodells wird es nicht fehlen. (Karl Gedlicka, 21.11.2018)