Medikamente kosten Geld. In einzelnen Fällen erreichen die Preise allerdings ein extremes Niveau.

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Wien – Die Preise für innovative Arzneimittel werden in einzelnen Fällen immer extremer. Dem beizukommen, fällt offenbar mittlerweile auch den reichsten Staaten der Welt schwer. Bei einem internationalen Universitätslehrgang zum Thema "Zugang und Verfügbarkeit von Innovationen im Gesundheitsbereich" in Wien unterstrich am Wochenende die US-Expertin Suerie Moon die Notwendigkeit neuer Strategien.

"2014 hat die neue und die chronische Hepatitis C ausheilende medikamentöse Therapie rund 48.000 Euro pro Patient gekostet. Die CAR-T-Zelltherapie (gegen bestimmte Leukämie- und andere Krebsformen; Anm.) kostet umgerechnet rund 320.000 Euro", sagte Suerie Moon. Noch teurere innovative Medikamente seien mit einem Preis von 850.000 Euro oder gar – wie vom Pharmakonzern Novartis bereits angekündigt – vier Millionen Euro für eine Gentherapie für Kinder mit angeborener Muskelschwächeerkrankung bereits am Horizont, erklärte die Expertin für Öffentliche Gesundheit der Harvard University in ihrem Vortrag für die Vienna School of Clinical Research, Public Health and Medical Education (VSCR) an der Sigmund Freud Privatuniversität.

Bei Gesundheitsausgaben von durchschnittlich 35 US-Dollar (30,63 Euro) pro Kopf und Jahr in den ärmsten Ländern der Welt sind solche Therapien unerreichbar. Aber auch in den reichsten Industriestaaten mit durchschnittlichen Gesundheitsausgaben pro Person und Jahr von 5.050 US-Dollar (4.419,36 Euro) sei da wohl eine Grenze zum potenziell nicht mehr Finanzierbaren erreicht, erklärte die Expertin. Mit den Erzeugungskosten für Medikamente hat das nichts mehr zu tun, mit den Entwicklungskosten nur noch bedingt, betonte Suerie Moon. Während die Ausgaben für Arzneimittel in den vergangenen Jahren weltweit insgesamt durch Patentabläufe und Generika bei vielen "'Blockbuster"-Präparaten eher stabil geblieben seien, hätten sich die Preise für speziell wirkende Arzneimittel deutlich erhöht.

Grundlagenforschung beim Preis berücksichtigen

"Es geht um das Erzielen eines fairen Preises", betonte Suerie Moon. Dafür müsse man auch völlig neue Strategien entwickeln. Ein Punkt: Der Beitrag der öffentlichen Hand zur Grundlagenforschung, die letztendlich zu einer neuen innovativen Arzneimitteltherapie geführt habe, sollte einberechnet werden. Die Public Health-Expertin nannte ein Beispiel: Von der Identifizierung einer "neuen" Non A/Non B-Hepatitis im Jahr 1974 (später Hepatitis C; Anm.) bis zur Entdeckung des für die neuen Hepatitis C-Medikamente entscheidenden Zielmechanismus im Jahr 2002 erfolgten die Forschungsarbeiten in den USA ausschließlich mit öffentlichen Geldern.

2011 hätte der US-Pharmakonzern Gilead dann ein kleines Arzneimittelunternehmen mit dem ersten der neuen Wirkstoffe um elf Milliarden US-Dollar (9,63 Mrd. Euro) gekauft – und zwischen 2013 und 2017 damit mehr als 50 Milliarden US-Dollar (43,76 Mrd. Euro) verdient. "Die Hälfte der neu zugelassenen Medikament wurden ursprünglich von öffentlicher Hand gefördert, ebenso zwei Drittel jener Arzneimittel, die beschleunigt zugelassen werden sollen", sagte Suerie Moon.

Dies in Preisverhandlungen einzurechnen, dürfte allerdings ausgesprochen schwierig sein. Aber Staaten – eventuell auch Staatengemeinschaften – könnten durchaus ihre Marktposition gegenüber Pharmaunternehmen ausspielen. Erfolgreich hätte das Australien bei den Hepatitis C-Therapien gemacht, betonte die Expertin. 2015 wurde mit einem Konzern ein Pauschalvertrag für fünf Jahre auf umgerechnet 618 Millionen Euro für die unlimitierte Versorgung mit einem der neuen Arzneimittel abgeschlossen. Kalkuliert wurde ursprünglich ein Preis von rund 10.000 Euro pro Patient. Der leichte Zugang zu den Medikamenten erlaubte die Ausweitung der Zahl der Behandelten, reduzierte die Aufwendungen pro Patient auf etwas unter umgerechnet 5.900 Euro.

Zahlung nach dem Erfolgsprinzip

Andere Möglichkeiten wären laut Suerie Moon, dem ersten Rennen um die neuesten Therapien auszuweichen und die Konkurrenz zu den Erstanbietern zu fördern. International wird auch über Modelle nachgedacht, dass extrem teure Behandlungsformen erst bei eingetretenem Erfolg zu bezahlen sind. Damit tragen die Entwickler das Risiko eines Therapiefehlschlags, was aber – kalkulatorisch – ihren Preis erhöhen muss. Immer – so die Expertin – müssten sich bei solchen Abmachungen alle Partner fair behandelt führen. Die westlichen Industriestaaten sollten über höhere Preise im Vergleich zu den armen Staaten die Entwicklungskosten zu einem größeren Anteil finanzieren.

Wie ein bei der Veranstaltung anwesender Ex-Biotech-Firmenchef erklärte, sollte man wirtschaftlich immer klipp und klar sehen: Der Pharmaindustrie müsse es primär immer um Geld gehen. Es herrscht nämlich auch ein Kampf um Investoren, die sonst in andere Branchen abwandern. Allerdings bestehe die Gefahr, dass der Preisbogen selbst für die reichsten Staaten der Erde mit solidarischen Gesundheitssystemen überspannt werden – auch so könnte der Markt für Innovationen zusammenbrechen. (APA, 21.11.2018)